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Besprechung CD

Opera Rara ORCV305

4 CD • 3h 51min • 2006

08.06.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 6
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die lange, qualvolle Geschichte der Oper Don Carlos ist eines der großen Mysterien der Musikgeschichte: Von den Zeitgenossen wurde das Werk abgelehnt, ja sogar verachtet und als mißlungen erklärt. Verdi selbst war damit unzufrieden, er hat immer wieder daran gearbeitet, hat gekürzt, neues hinzukomponiert, noch und noch umgeformt - dadurch ist ein kaum überschaubarer Wirrwarr von Fassungen entstanden. Die Qualitäten der Oper sind erst im frühen 20. Jahrhundert entdeckt worden und seither steht Don Carlos als eine der größten Hervorbringungen der Operngeschichte da. In neuerer Zeit beginnt sich die Aufmerksamkeit der fünfaktigen Urfassung vom Jahr 1867 zuzuwenden. Dieser „französische“ Carlos hat Aufführungen in Hamburg und Wien erlebt, eine Platten-Einspielung erfolgte 1995 unter Claudio Abbados Leitung. Nun wird von Opera rara eine bereits vor mehreren Jahrzehnten entstandene Wiedergabe aus dem Archiv des Senders BBC präsentiert, die – so wird im Begleittext versichert – noch vollständiger ist als die Abbado-Version. Bei der komplizierten Situation, die dem Werk von Anfang an anhaftet (bereits bei der Premiere wurde rigoros gekürzt), ist dies auch gar nicht verwunderlich. Jedenfalls hat man nun die Gelegenheit, wirklich alles zu hören, was Verdi sich damals für die Aufführung an der Pariser Oper vorgestellt hat, sogar jene Stellen, von denen bloß Orchester- und Gesangsstimmen erhalten geblieben sind und die von Andrew Porter für diese Wiedergabe rekonstruiert wurden.

Der Ur-Carlos wird freilich immer im Schatten der späteren, der bekannten italienischen Version stehen, da einzelne Szenen – wie etwa das große Philipp-Posa-Duett oder auch die Auseinandersetzung Elisabeth-Eboli – darin erst ihre meisterhafte Realisierung erfahren haben und auch die Zusätze aus Verdis Spätzeit (das wundervolle Orchester-Vorspiel zum zweiten Akt) zum unverzichtbaren Fundus der Oper gehören. Andererseits ist im Pariser Carlos der Handlungsgang wesentlich klarer, logischer als im italienischen Libretto. Der Gewinn, den die Opera rara-Produktion vermittelt, ist jedenfalls sehr hoch einzuschätzen. Aber nicht allein deshalb kann die Aufnahme allen Opernfreunden empfohlen werden, denn die Wiedergabe zeichnet sich durch hohes sängerisches und orchestrales Niveau aus. Es fehlen zwar die zugkräftigen Namen bei den Mitwirkenden, doch selten hat man Gelegenheit, ein so homogenes, perfekt zusammenpassendes Ensemble zu erleben, wie es hier der Fall ist. Ob es der Dirigent John Matheson ist, der die Aufführung mit aller Prägnanz und Dichte leitet, oder Joseph Rouleau, der mit seiner profunden, ausdrucksstarken Baßstimme jeden Vergleich mit großen Mustern aushält – alle in diesem reichhaltigen Künstler-Kollegium stehen vollgültig auf ihrem Platz: André Turp als Don Carlos, mit weichem, elegischem Tenor, die hellstimmige Edith Tremblay als Élisabeth, Michelle Vilma mit feurigem Mezzo als Eboli – alle hervorragend. Etwas ungewöhnlich, aber keineswegs unpassend die Besetzung des Posa mit Robert Savoie, der mehr den markigen Krieger als den schwärmerischen Belcantosänger hervorkehrt. Daß das Klangbild heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht, mag eine Einschränkung bedeuten, doch die kennenswerte Produktion selbst sowie ihr ausführliches Textbuch entschädigen diese Einbuße reichlich.

Clemens Höslinger [08.06.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Giuseppe Verdi
1Don Carlos

Interpreten der Einspielung

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