Pentatone classics 5186 076
1 SACD • 62min • 2005
27.04.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Vergleich mit ihrem vordergründigen Nachfolgemodell über die Geschehnisse des Jahres 1917 ist Dmitri Schostakowitschs elfte Sinfonie ohne allen Zweifel das weitaus subtilere, musikalisch ereignisreichere Werk, wenngleich sich kaum bestreiten läßt, daß auch Das Jahr 1905 so gar nichts mit der frechen Ironie der unbezahlbaren Neunten und der grandiosen Autobiographik der Zehnten zu tun hat. Vielmehr wird man sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß sich der Komponist hier durch eine Reihe von Linientreueschwüren den Freiraum für so provozierende Dinge wie die Babij-Yar-Symphonie geschaffen hat, die dem Kreml bekanntlich ein Balken im Auge war.
Doch auch wenn wir Schostakowitsch diese taktische Vorgehensweise unterstellen (klug genug für solche Schachzüge war er allemal!), wird die musikalische Erinnerung an die zusammengeschossenen Aufstände von St. Petersburg und – wie im guten Einführungstext bemerkt – von Budapest (1956) immer eine Folge von vier sinfonischen Plakaten bleiben, in denen die Triole fröhliche Urständ feiert und die hemmungslose Entfesselung gewaltiger Klangmassen letztlich wichtiger ist als jegliches Schürfen nach tieferen Schichten. Darauf hat schon Bernard Haitink bei seiner (für mich) bis heute mustergültigen Gesamtaufnahme verzichtet, und auch Mikhail Pletnev versucht sich sympathischerweise nicht in Innerlichkeit, sondern läßt weitgehend geradlinig und volltönend musizieren, wobei ihn die vorzügliche Aufnahmetechnik unterstützt, die eine schöne Räumlichkeit erzielt. Dabei bemerken wir dann freilich auch, daß das starre Abwarten des ersten Satzes durchaus frostiger und das Gemetzel des „Neunten Januar” noch radikaler hätten geraten dürfen: Schließlich handelt es sich bei letzterem auch um eine ferne Erinnerung an das ehemals avantgardistische Schlagzeugsolo aus der Oper Die Nase und um eine Studie über entfesselten Klang.
Im großen und ganzen aber, von einer aus der Partitur nicht erklärlichen Temporückung zu Beginn des Finales abgesehen, ist Mikhail Pletnev eine respektable Interpretation zu verdanken, deren Bedeutung vor allem darin liegt, daß eben keine künstliche „Bedeutung” herbeigezwungen und kein falsches Mitleid in die Musik hineingeknetet wird. Und gerade durch den Verzicht auf diesen äußerlichen Unfug erhält die Sinfonie am Ende doch ihren ganz eigenen Wert...
Rasmus van Rijn [27.04.2006]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Dimitri Schostakowitsch | ||
1 | Sinfonie Nr. 11 g-Moll op. 103 (Das Jahr 1905) |
Interpreten der Einspielung
- Russian National Orchestra (Orchester)
- Mikhail Pletnev (Dirigent)