Hyperion CDD22051
2 CD • 1h 50min • 1996
26.05.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Tod Augusts des Starken am 12. Februar 1733 scheint auf die Entstehung von Bachs Messe in h-Moll eine günstige Wirkung ausgeübt zu haben. Fern von jeder makabren Assoziation beruht dieser fördernde Umstand lediglich auf der daraufhin eintretenden halbjährigen Landestrauer, die in den Kirchen Leipzigs die Musik auf ein Minimum reduzierte und somit auch die Pflichten des Thomaskantors minimierte. So wurde die konzentrierte Arbeit an einem Bewerbungsstück am polnisch-sächsischen Königshof in Dresden möglich. Bach komponierte zwei Teile einer großen Messe, ein Kyrie und ein Gloria; in ihren Ausmaßen sind die beiden Stücke monumental, sie nehmen schon die Hälfte des später zur vollständigen Messe komplettierten Werks ein. Bach bot in seinen beiden nach Dresden gesandten Meßsätzen seine ganze kompositorische Kunstfertigkeit auf – dennoch mußte er noch einmal an seine Eingabe erinnern, bis ihm schließlich im November 1736 der Titel eines königlich polnischen Hofkomponisten verliehen wurde. Das war immerhin ein Prestigegewinn und der konnte für den Kontakt mit einer ebenso geizigen und mißtrauischen wie verdrießlichen Leipziger Obrigkeit nützlich sein, die Bach seit Beginn der 1730er Jahre das Leben schwer machte.
Robert Kings Aufnahme der h-Moll-Messe ist 1997 entstanden, zu einer Zeit, als aufführungspraktische Konzepte wie die solistische Interpretation des geistlichen Œuvres von J. S. Bach noch eine Randexistenz in der wissenschaftlichen Debatte einnahmen. Inzwischen hat sich diese solistische Aufführungspraxis einen ernstzunehmenden Platz innerhalb der Musikwissenschaft erobern können, und mit der Aufnahme durch Konrad Junghänels Cantus Cölln (HMC 801813.14) aus dem Jahr 2003 gibt es auch nach Andrew Parrotts inzwischen in Deutschland offensichtlich vergriffener Pioniereinspielung von 1984 ein weiteres erstklassiges Tondokument der solistischen Aufführungsversion.
Robert King hat sich dafür entschieden, die hohen Stimmen mit Knaben zu besetzen und hat mit dem Tölzer Knabenchor ein deutsches Ensemble gewählt. Nach eigenem Bekenntnis waren dabei besonders die natürlichen Altstimmen ausschlaggebend, die es so in Knabenchören der englischen Tradition nicht gibt. Auch die hohen Solistenpartien sind mit Tölzer Knabenstimmen besetzt, und das Ergebnis ist auch heute noch beglückend! Eine von intellektuellen Erwägungen unverstellte Naivität ergänzt sich hier bestens mit der für einen christlichen Knabenchor selbstverständlichen Vertrautheit mit dem geistlichen Repertoire – das verleiht der ganzen Aufnahme einen natürlichen und selbstverständlichen Tonfall, der auch Junghänels Einspielung kennzeichnet (wo er sich als Überwindung des Intellektuellen durch das Geistige darstellt: eine besondere Leistung dieser Interpretation!). Robert Kings Leistung, in England ausgebildete männliche Vokalsolisten und Chorsänger und sein Orchester mit Knabenstimmen der deutschen Tradition in der Interpretation eines Werkes zusammenzubringen, das wiederum katholische und protestantische Elemente vereinigt, nötigt auch heute, fast zehn Jahre nach Entstehen der Aufnahme, höchsten Respekt ab und läßt sie zur ersten Empfehlung für alle werden, die sich nicht für eine solistische Interpretation dieses Monumentalwerks entscheiden möchten.
Detmar Huchting [26.05.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Messe h-Moll BWV 232 für Soli, Chor und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Manuel Mrasek (Sopran)
- Matthias Ritter (Sopran)
- Maximilian Fraas (Alt)
- Matthias Schloderer (Alt)
- Anthony Rolfe Johnson (Tenor)
- Michael George (Baß)
- Tölzer Knabenchor (Chor)
- Choir of King's Consort (Chor)
- King's Consort (Ensemble)
- Robert King (Dirigent)