Other Side
Hungaroton HCD 32297
1 CD • 76min • 2004
24.06.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es gehört zu den interessantesten und spannendsten Aufgaben der Musikwissenschaft, Kompositionen auf ihre volksmusikalischen Wurzen hin zu untersuchen. Eine Sonderstellung nimmt hier das Schaffen Bela Bartóks ein, hat der ungarische Komponist doch selbst wegweisende volksmusikalische Studien unternommen und die Aufnahmen bzw. Auszeichnungen prägnant in sein Schaffen integriert.
Das 1997 in Budapest gegründete Fonó Orchester, ein sich der ungarischen wie der in den Nachbarländern gespielten Volksmusik widmendes Ensembles, hat nun den Versuch unternommen, Bartóks Kompositionen mit der originären Volksmusik zu verknüpfen und so Beziehungen hinsichtlich Melodik, Rhythmik und Gehalt aufzuzeigen. Nicht zuletzt durch die Bartók’sche Werkwahl (u.a. einige seiner Violinduos) drängt sich der Vergleich mit einer 1999 erschienen Produktion des Ensembles Muzsikás („The Bartók Album“, Hannibal HNDC 1439) auf, wobei auf letzterem zusätzlich noch von Bartók selbst während seinen Feldstudien aufgenommene Originalbänder zu hören sind. Im Gegensatz dazu werden die Aufnahmen mit dem Fonó Ensemble durch die Interpretation von Bartóks beiden Rhapsodien ergänzt.
In der Besetzung der Violinduos geht die aktuelle CD mit dem Fonó Ensemble wieder den gleichen Weg wie die Muzsikás-Aufnahme. Die Duos werden von einem Geiger der Volksmusikensembles und einem Konzertvirtuosen (hier Vilmos Szabadi, bei Muzsikás Alexander Balanescu) interpretiert.
Zur Musik sei allen jenen, die bei ungarischen Klängen zuerst an Zigeunerromantik oder die ungarisch gefärbte Musik von Brahms, Liszt oder an diverse Operetten denken, gesagt, dass die hier zu hörenden Klänge so viel damit zu tun haben, wie die alpenländische Volksmusik mit dem Musikantenstadl –gar nichts. Die ungarische Volksmusik – und mit ihr jene von Siebenbürgen oder der südlichen Slowakei – ist ein eigener Kosmos in der musikalischen Landkarte Europas. Sie ist oft schnell, aber nicht voll triefender Leidenschaft, rauh, aber voller Tongebung, und gefühlvoll, ohne je sentimental zu sein.
Das aus zwei Violinen, Viola und Kontrabass als Stammbesetzung bestehende und mit Cimbalom, Flöten oder Dudelsack sowie Ágnes Herczku und Gergely Agócs als Sänger angereicherte Ensemble spielt die insgesamt 13 Volksmusikstücke (viele davon in kleiner Besetzung) mit viel Energie und Direktheit. Der Tanzcharakter vieler Stücke teilt sich unmittelbar mit, der klare Gesang klingt natürlich und unvermittelt. Interessant sind auch jene Instrumente, die dem Konzertwesen fremd sind, so Dudelsack und Hirtenflöte. Ihr Klang ist rauh und will sich so gar nicht in das Ideal eines in sich stimmigen Tones einfügen. Hier wird klar, welche Kluft Bartók zwischen der Musik der Städte und den damals weitgehend unbekannten Klängen der ländlichen Provinzen begegnet sein muss.
Im Gegensatz zu der Unvermitteltheit der Volksmusik begegnen uns die Violinduos von Bartók mit mehr Distanz. Tamás Gombai und Szabadi spielen die 14 der insgesamt 44 Duos stellenweise mit viel Zurückhaltung, so als wollten sie den Verlust der Rauhheit, den die Volksmusik als Quelle dieser Kompositionen durch die schriftliche Formgebung erfahren hat, mitteilen. Ihrem Spiel mangelt es jedoch keineswegs an Intensität, nur ist diese eben kultivierter. Die beiden sich ebenfalls auf volksmusikalische Quellen beziehenden Rhapsodien fassen die auf dieser CD zu findenden Eigenschaften der ungarischen Musik zusammen. Szabadi und Márta Gulyás destillieren aus ihnen Momente tänzerischer Ausgelassenheit ebenso heraus wie geheimnisvolles Klangfarbenspiel und zündelnde Virtuosität.
Ein Manko begleitet jedoch diese hörenswerte Produktion. Es ist neben den spärlichen Stückbeschreibungen das völlige Fehlen der Gesangstexte bzw. deren Übersetzungen. Auch die zu direkte Klangqualität entspricht nur bedingt den Möglichkeiten einer modernen Klangregie. 1:0 für Muzsikás.
Robert Spoula [24.06.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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Interpreten der Einspielung
- Vilmos Szabadi (Violine)
- Márta Gulyás (Klavier)
- Fonó Orchestra (Orchester)