Johann Sebastian Bach
Johannes-Passion BWV 245

Channel Classics CCS SA 22005
2 SACD stereo/surround • 1h 52min • 2004
21.03.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wie schon Veldhovens Aufnahme des Weihnachtsoratoriums ist nun auch seine Einspielung der Johannes-Passion mit einem sehr luxuriösen Hardcover-Buch ausgestattet, das alle bibliophilen Herzen höher schlagen läßt. In ihm finden zahlreiche Abbildungen von Gemälden und Kunstgegenständen des Museum Catharijneconvent (Utrecht), welche die Leidensgeschichte Jesu zum Thema haben und hier kunstgeschichtlich kurz erläutert werden. Dies ist der erste Pluspunkt der vorliegenden Produktion.
Der zweite ist Veldhovens Entscheidung, die Johannes-Passion solistisch bzw. mit je einem Concertisten und Ripienisten aufzuführen. Dies ist seit den Forschungen von Joshua Rifkin und Andrew Parrott der Ansatz, für den die meisten historischen Argumente sprechen und der in jüngster Zeit immer mehr Anhänger bzw. Befürworter findet, während sich die Traditionalisten entweder in haarsträubende Umdeutungen der Quellenlage verstricken (Koopman, Gardiner) oder – was redlicher ist – die Berechtigung einer solistischen Aufführungspraxis zwar anerkennen, ihn sich aber aus künstlerischen Gründen nicht zueigen machen (Herreweghe, Suzuki).
Quellenlage hin oder her: Im vorliegenden Falle ist das Ergebnis musikalisch so überzeugend, daß sich jede weitere Diskussion erübrigt. Mit weniger Musikern wirkt die Johannes-Passion nicht etwa mickrig, sondern überraschend packend, weil der dramatische Aspekt genauer und mit subtileren Mitteln herausgearbeitet wird.
Der dritte Pluspunkt ist der Versuch, die Urfassung der Johannes-Passion zu rekonstruieren, wobei sich alle Beteiligten darüber im klaren sind, daß es sich hierbei nur um eine Annäherung handeln kann. Veldhoven geht aufgrund des Notenbefundes davon aus, daß Bach die Flöten erst in letzter Minute hinzugefügt hat, die Johannes-Passion ursprünglich also nur von Streichern, Oboen, Fagott und Basso continuo (Orgel/Laute) gespielt werden sollte. Dementsprechend überträgt er den instrumentalen Solopart der Arie „Ich folge dir gleichfalls“ auf die erste Geige. Jeder, der die Johannes-Passion einmal selbst aufgeführt hat, weiß, daß die Flötisten über diese Arie immer klagen, weil B-Dur keine Flötentonart ist und weil es enorm schwierig ist, zwei Flöten in B-Dur unisono zu spielen. Auf der Geige ist diese Arie hingegen kinderleicht zu spielen, und nach Veldhovens Einspielung kann kein Zweifel mehr darüber bestehen, was Bach ursprünglich vorhatte. Über weitere Details der Rekonstruktion informiert die Werkeinführung.
Drei Pluspunkte also, zu denen ein überragendes technisches Niveau und Veldhovens vorbildliche Differenzierung der epischen, dramatischen und lyrischen Aspekte dieses Werks als weitere kommen. Was also fehlt zur Höchstbewertung? Zwar beweist Gerd Türk einmal mehr, daß er gegenwärtig einer der besten Interpreten von Bachs Evangelisten-Partien ist, zwar hinterlassen auch Caroline Stam und Charles Daniels in ihren Arien sowie Bas Ramslaar als Petrus und Pilatus einen hervorragenden Eindruck, doch ist es wieder einmal die Besetzung der Alt- und der Baß-Partie, welche unbefriedigend ausfällt: Der Kontratenor Peter de Groot singt mit schlechter Aussprache und ohne den stimmlichen Fokus, den ein Knaben- oder eine Frauenalt hätte; und bei Stephan MacLeod fragt man sich, ob soviel stimmliche Wucht für die Christusworte wirklich nötig ist. Ohne diese beiden Fehlbesetzungen hätte dies die neue Referenzeinspielung werden können. Aber auch in der vorliegenden Form ist sie überaus hörens- und sehenswert.
Theodor Schliehen [21.03.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Johannes-Passion BWV 245 |
Interpreten der Einspielung
- Caroline Stam (Sopran)
- Peter de Groot (Altus)
- Gerd Türk (Tenor)
- Charles Daniels (Tenor)
- Stephan MacLeod (Baß)
- Bas Ramselaar (Baß)
- The Netherlands Bach Society (Ensemble)
- Jos van van Veldhoven (Dirigent)