Franz Schubert
Sämtliche Sinfonien
SWRmusic 93.120
4 CD • 4h 15min • 1996-2004
15.10.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Hans Zender hat zeitlebens gegen das Vorurteil zu kämpfen, er sei ein Interpret vornehmlich der Musik des 20. Jahrhunderts. Dabei ist ihm die Klassik ein besonderes Anliegen. Das verrät exemplarisch auch das Gespräch mit Rainer Peters, das im Booklet dieser Edition abgedruckt ist. Grund für die Faszination, die Schubert auf ihn ausübte – so Zender –, sei nicht nur eine große persönliche Liebe zu dessen Musik, sondern die Gewissheit, „dass Schubert zu den ganz großen Künstlern unserer Tradition gehört, die uns heute etwas zu sagen haben, was sie ihren Zeitgenossen so noch nicht sagen konnten“. Schubert artikuliere in seiner Musik etwas von dem „in den Hintergrund des modernen Bewusstseins Abgedrängten“.
„Mich fasziniert Schubert als Musiker der Introversion, als ‚somnambuler’ Komponist... Und obwohl Schubert den „Bewusstseinshintergrund“ darstelle, befindet er sich als Künstler ganz im Vordergrund des Bewusstseins, sei also ein ganz und gar „Moderner“.
Der Gefahr, die Zyklen bergen, nämlich einen gewissen Einheitsgestus und -klang zu produzieren, entgeht Hans Zender mit diesen Aufnahmen ohne Mühe: Schuberts Sinfonien werden immer in ihrer Vielfalt, Verschiedenheit und Entwicklung dargestellt. Man kann direkt hörend nach-verfolgen, wie sich der Sinfoniker Schubert entwickelt hat – von den jugendlichen Versuchen der ersten, zweiten und dritten Sinfonie, die ja nichts Dilettantisches oder Unfertiges haben, sondern einen sehr selbstbewussten Umgang mit der sinfonischen Form verraten, zugleich aber auch das Experimentieren mit ihr, über die sehr der Klassik verpflichtete, ja konventionelle Vierte, die als Mozart-Hommage zu verstehende Fünften und die Sechste mit Momenten der Gebrochenheit – bis zu den sogenannten „großen“ Sinfonien Nr. 7 (h-Moll) und Nr. 8 (C-Dur). Zender zeigt die Unterschiede sehr deutlich, aber nicht in schulmeisterlicher Attitüde, sondern gleichsam selbstverständlich.
An der Aufnahme faszinieren zunächst die Deutlichkeit und die Präzision, mit der musiziert wird, dann die ausgefeilte und je individuelle „Instrumentierung“ und die Transparenz des Klanges. Da geht kein Detail der Werke unter, bleibt zugleich die Gesamtgestalt gewahrt. Manchmal lässt Zenders „Röntgenblick“ auf die Partitur strukturelle Zusammenhänge und thematisches Geschehen nicht nur viel deutlicher erscheinen als gewohnt, sondern lenkt unsere Aufmerksamkeit gerade erst auf diese Zusammenhänge oder ein verstecktes Detail. Und was erfährt man nicht allein über die Konzeption, die Entwicklung, die unterschiedliche Ausprägung des Menuetts, wenn man einmal die dritten Sätze der Sinfonien im Vergleich hört! Bei all dem kommt die Sinnlichkeit, die Freude am Musizieren nie zu kurz.
Das SWR Sinfonieorchester erweist sich wieder einmal als außerordentlich vielseitiges, flexibles, stilsicheres, zart wie zupackend und kontrastreich musizierendes Orchester, dem ein Schubert ebenso vertraut ist wie die Moderne (auf die man es – auch dies ein Vorurteil – oft und zu sehr festlegen möchte). Der Klang ist deutlich, präsent – wobei die Charakteristik nicht nur aufgrund der Werke, sondern auch sicher der relativ weit auseinanderliegenden Aufnahmedaten – von 1996 bis 2003 – schwankt.
Dr. Helge Grünewald [15.10.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Sinfonie Nr. 1 D-Dur D 82 | 00:29:45 |
5 | Symphony No. 2 Bb major D 125 | 00:29:12 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Symphony No. 3 D major D 200 | 00:24:45 |
5 | Sinfonie Nr. 4 c-Moll D 417 (Tragische) | 00:34:53 |
CD/SACD 3 | ||
1 | Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485 | 00:28:56 |
5 | Sinfonie No. 6 C major D 589 (Little C major Symphony) | 00:32:28 |
CD/SACD 4 | ||
1 | Sinfonie Nr. 7 h-Moll D 759 (Unvollendete) | 00:25:40 |
3 | Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 (Große C-Dur-Sinfonie) | 00:48:53 |
Interpreten der Einspielung
- SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (Orchester)
- Hans Zender (Dirigent)