Erato 0927 43181-2
3 CD • 2h 58min • 2000
03.12.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Es ist unglaublich: Im Januar 2000 nahm Paul McCreesh Händels Theodora auf (Archiv-Produktion), nur einen Monat später folgte Peter Neumann (MDG), und im Mai 2000 begab sich William Christie mit demselben Werk ins Studio. Diese drei Aufnahmen wurden in der Reihenfolge ihres Entstehens veröffentlicht, allerdings mit deutlicher Verzögerung (McCreesh noch im Herbst 2000, Neumann im Frühjahr 2001 und Christie erst im Herbst 2003). Eher zufällig ergab sich dadurch auch eine interpretatorische Steigerung: McCreesh führte Theodora als opulent-klangprächtiges Oratorium vor, während Neumann die äußere Dramatik und die inneren Konflikte plastischer herausarbeitete, dabei allerdings vor Übertreibungen nicht gefeit war und das Werk leider einigen Kürzungen unterzog. Christie bringt nun beides zur Geltung, die großartige Form und den empfindsamen Inhalt, spiel- und sangestechnisch auf höchstem Niveau, von der Aufnahmetechnik allerdings nicht so gut unterstützt wie McCreesh.
Theodora ist das einzige Hördrama Händels, das einen christlichen Inhalt hat (wenn man einmal Messiah als eher episch, zumindest keinesfalls imaginär szenisch angelegt außer acht läßt). Zudem stammt die Geschichte nicht aus der Bibel, sondern aus den Märtyrerlegenden, was ebenfalls singulär bei Händel ist. Schließlich ist das tragische Werk mit seiner strengen Moral ungewöhnlich tief in dunkles Moll getaucht, was ihm bekanntlich zu Lebzeiten das Publikum abspenstig machte. Vielleicht sind es aber gerade diese Züge, die Theodora heute besonders interessant machen.
Einmal mehr beweist William Christie sein einmalig geschultes Ohr für passende Stimmen. Sophie Daneman verbindet in ihrem Timbre die jenseitsorientierte Zuversicht der Titelheldin mit der diesseitigen Standhaftigkeit, auf die es hier ankommt. Daniel Taylor übertrifft als Dydimus alle bisherigen Konkurrenten (selbst David Daniels und Robin Blaze), Richard Croft zeichnet den Konflikt des Septimius gut nach, Nathan Berg gibt einen imposanten Valens, und in Juliette Galstian hat Christie eine junge Interpretin mit fast mädchenhaftem Ausdruck gefunden, die im eigenen Lager einen sinnvollen Gegenpol zu Theodora bildet. Chor und Orchester agieren mit einer dem Werk angemessenen Kraft und Ernsthaftigkeit, wobei erstaunlich ist, zu welcher Wendigkeit Christie den relativ großen Klangkörper bewegen kann.
Wer bereits eine Aufnahme dieses Oratoriums hat, sollte die vorliegende Produktion unbedingt als Ergänzung hinzunehmen; er wird viele neue Einsichten in richtige Proportionen oder in angemessene Ausdruckshaltungen gewinnen. Wer Theodora noch nicht besitzt, sollte gleich zu Christies Einspielung greifen.
Dr. Matthias Hengelbrock [03.12.2003]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Theodora HWV 68 (Oratorium in drei Teilen) |
Interpreten der Einspielung
- Sophie Daneman (Theodora)
- Daniel Taylor (Dydimus)
- Richard Croft (Septimius)
- Nathan Berg (Valens)
- Juliette Galstian (Irene)
- Laurent Slaars (Bote)
- Les Arts Florissants ()
- William Christie (Dirigent)