LSO Live LSO0010
4 CD • 4h 00min • 2000
03.06.2002
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Berlioz heißt die Passion des Dirigenten Colin Davis seit nunmehr 40 Jahren. Für das immer noch viel zu wenig bekannte Werk des französischen Komponisten hat sich der Brite wohl am engagiertesten von allen Dirigenten dieser Zeit eingesetzt. Nun, gegen Ende seiner langen Karriere, macht sich der jetzt 74jährige zusammen mit dem London Symphony Orchestra, dessen "Principal Conductor" er seit 1995 ist, zum zweitenmal daran, die Hauptwerke Berlioz' einzuspielen. Es sind im eigenen Haus des LSO, im Londoner Barbican Centre, entstandene konzertante live-Mitschnitte, die auf dem orchestereigenen Label publiziert werden.
Besondere Beachtung verdient zweifellos das opus magnum des Komponisten, Les Troyens, das Davis 1969 erstmals überhaupt aufgenommen hat und an dessen hochrangiger Qualität sich diese zweite Auseinandersetzung mit dem überaus anspruchsvollen Werk messen lassen muß. Die einzige Konkurrenzaufnahme unter Charles Dutoit von 1993 wirkt vergleichsweise blaß, leidet zudem an dem Handicap des als Énée total fehlbesetzten und überforderten Gary Lakes. Im Grundansatz hat sich Davis' Interpretation nicht verändert, sie zeigt nun einen stärkeren Hang zu theatralischer Grandeur, zu extremer polarisierten Tempi. Lyrisch-elegische Passagen nimmt er oft breiter, in Momenten dramatischer Steigerungen riskiert er schärfere Gangarten.
Die Solistenbesetzung ist erstklassig und jener der eigenen Vorgängeraufnahme und der unter Dutoit deutlich überlegen. Dies gilt nicht nur für die drei Protagonist(inn)en, sondern auch für die sehr wichtigen kleineren Partien. Besonders eindrucksvoll setzen sich in Szene: Peter Mattei als viril-kraftvoller Chorèbe, Kenneth Tarver als poetisch-inniger Iopas, Toby Spence als lyrisch-beseelter Hylas. Auch Stephen Milling und Sara Mingardo befreien die Figuren des Narbal und der Anna unüberhörbar aus dem Abseits der Nebenrollen. Ben Heppners jugendlicher Heldentenor ist an stimmlicher Statur ideal für die Partie des Énée geeignet, brilliert mit strahlender Höhe und Verve des Vortrags, ist seinem Rivalen Jon Vickers (Davis 1969) lediglich an stimmdarstellerischer Präsenz unterlegen. Die für die erkrankte Olga Borodina eingesprungene Michelle De Young - sie sollte zunächst die Cassandre singen - präsentiert sich in ihrem Debüt als Didon mit opulentem, fülligem Mezzoklang, braucht eine gewisse Anlaufzeit, bis sie sich dann in ihrer Schluß-Arie Adieu, fiere cité zu voller gestalterischer Höhe entwickelt. Das eigentliche vokale Ereignis der Aufnahme ist die phänomenale Petra Lang als Cassandre, die ihre Chance zum "Nachrücken" für De Young glänzend nutzt. Sie fasziniert nicht nur mit ihrem vollen, runden Pracht-Mezzo, exzellente Höhe und geschmeidigem Legato, sondern auch als Darstellerin, die das tragische Schicksal der trojanischen Seherin eindringlich evoziert.
Kurt Malisch † [03.06.2002]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hector Berlioz | ||
1 | Les Troyens (Grand Opéra, Libretto nach Vergil) |
Interpreten der Einspielung
- Ben Heppner (Enée - Tenor)
- Michelle DeYoung (Didon - Mezzosopran)
- Petra Lang (Cassandre - Mezzosopran)
- Sara Mingardo (Anna - Alt)
- Peter Mattei (Chorèbe - Bariton)
- Stephen Milling (Narbal - Baß)
- Kenneth Tarver (Iopas - Tenor)
- Toby Spence (Hylas - Tenor)
- Isabelle Cals (Ascagne - Mezzosopran)
- Orlin Anastassov (L' Ombre d'Hector - Baß)
- Alan Ewing (Priam - Baß)
- Tigran Martirossian (Panthée - Baß)
- Guang Yang (Hécube - Mezzosopran)
- London Symphony Chorus (Chor)
- London Symphony Orchestra (Orchester)
- Sir Colin Davis (Dirigent)