Philips 464 628-2
2 CD • 1h 31min • 1999
01.11.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Spätestens durch die überaus beachtenswerte Ersteinspielung bei Orfeo (1982) wurde man gewahr, daß Alzira zwar schon seit der Uraufführung (1845, Neapel) nur wenig gerühmt wurde, daß dieses Produkt aus Verdis "Galeerenjahren" aber deutlich bessere Zensuren verdient hätte, weil die Musik zwar für diese Entwicklungsphase des Komponisten konventionell, aber nicht durchweg uninspiriert anmutet. Etliche Arien weisen über das Althergebrachte hinaus: Auf die Cabaletta verstand sich Verdi von Beginn seiner Laufbahn an. Einige sorgfältig instrumentierte Strecken, insbesondere in der umfangreichen, gefälligen Ouvertüre, weisen ebenso voraus wie mehrere Vorwegnahmen in Form von Anklängen an spätere Opern Verdis.
Das Stück spielt in Peru bei unterworfenen Inkas. Auch dort braucht die Oper ihren Dreieckskonflikt: Eine indianische Prinzessin soll aus politischen Erwägungen den despotischen spanischen Gouverneur heiraten, der allerdings vom wieder auftauchenden Inka-Prinzen und Bräutigam Alziras ermordet wird. Voltaires Konfliktfeld zwischen christlicher (Schein-)Moral und bluttriefenden heidnischen Religionspraktiken kommt in der Oper nur sehr verwässert zum Tragen. Trotzdem ist eine griffige Bühnenwirkung zu erzielen, wie nicht zuletzt die späte deutsche Erstaufführung (Passau, 1998) bewiesen hat.
Philips führt nun zwölf frühe Verdi-Opern im Katalog und wird auch noch Aroldo herausbringen, neuerlich mit Fabio Luisi, dessen Vorgehen man hier stringent nennen könnte oder temperamentvoll drängend mit einer Spur martialischer Direktheit. Gute Präzision und akkurate Rhythmik sind nicht zu leugnen; gleichfalls nicht die hohe Klasse des energiegeladenen, in den Klangfarben flexiblen Chores.
Für die trotz der Kürze der Oper ergiebige Partie des Häuptlings Zamoro weist Ramón Vargas einen schlanken und biegsamen, metallisch strahlenden Tenor vor, den er mit gepflegtem legato kultiviert einsetzt. Obwohl er der noch frisch klingenden, in der Höhe ungefährdeten Stimme in dramatisch erregten Momenten Festigkeit zu geben vermag, fühlt man, daß dieser Partie eine bulligere Höhe adäquater wäre. Paolo Gavanelli singt den Spanier Gusmano mit gebändigtem, wohltönendem Bariton, verfügt aber nicht über Renato Brusons Ausdruckskraft und Persönlichkeit. Gavanellis sorgsam differenzierter Gefühlsausdruck, sein Stilbewußtsein, aber auch ein eingelegter Spitzenton in der ersten Cabaletta imponieren durchaus.
Alzira präsentiert sich durch Marina Mescheriakova als eine Prinzessin des verinnerlichten piano-Singens, die schon in der Cavatine berührende Phrasen entwickelt. Wie weitgespannt und stimmfordernd dieses Fach ist, veranschaulichen eine koloraturgespickte Cabaletta (zweiter Akt) und dramatischer Furor, den die Titelheldin ebenfalls zu entfachen vermag. In der nicht ganz kleinen Partie des Otumbo würde man dem an der Wiener Staatsoper tätigen Tenor Torsten Kerl mehr Stimmpräsenz zutrauen. Viersprachiges Textheft.
Hermann Schönegger [01.11.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Giuseppe Verdi | ||
1 | Alzira (Lyrische Tragödie in einem Prolog und zwei Akten, 1844/1845) |
Interpreten der Einspielung
- Marina Mescheriakova (Sopran)
- Ramón Vargas (Tenor)
- Paolo Gavanelli (Bariton)
- Torsten Kerl (Tenor)
- Jana Iliev (Mezzosopran)
- Jovo Reljin (Tenor)
- Wolfgang Barta (Baß)
- Slobodan Stankovic (Baß)
- Choeur du Grand Théatre de Genève (Chor)
- Orchestre de la Suisse Romande (Orchester)
- Fabio Luisi (Dirigent)