Arthaus Musik 100 138
1 DVD-Video • 2h 47min • 1998
30.11.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Mit der Vertonung von Tennessee Williams' Endstation Sehnsucht bewies der aus Berlin stammende Pianist, Dirigent und Komponist André Previn (ursprünglich: Andreas Ludwig Prewin) einigen Mut. Leonard Bernstein hatte sich außerstande gefühlt, das als Schauspiel und in der berühmten Verfilmung mit Marlon Brando vielgerühmte Stück mit seinen subtilen, aggressiven, psychologisch demaskierenden Dialogen in Musik zu setzen. Wie die filmische Aufzeichnung zeigt, hat sich Previn bemüht, den zwischenmenschlichen Kontroversen, Elendigkeiten und natürlich auch den kleinen seelischen Lichtblicken sozusagen musikalische Kontur und Gestalt zu verleihen. Es ist ein sehr gutmütiges Unterfangen mit filmmusikalischen, auch jazzartigen Mitteln, bald flott, bald sentimental inszeniert im Zeichen eines gehobenen Broadway-Musicals mit Opernehrgeiz. Anders ausgedrückt: die ätzenden, ungemütlichen Passagen, der düstere Dauerzustand der Vorlage wirken in dieser Umsetzung mehr als zuträglich abgefedert, klanglich beschönigt, selbst wenn man zugunsten Previns (und seiner Sänger!) einwenden könnte, sie dürften sich unter diesen Umständen wirklich singend mitteilen, während im heutigen Opernwesen überwiegend extreme Intervalle in extremen Lagen mehr schreiend als kantabel gefordert sind. So kommt es zu einer gewissen Schieflage zwischen dem literarisch-humanen Gehalt und der akustischen Endfertigung, doch ich empfinde Previns Musik als ein ehrliches Bemühen, diesem Stück ein "amerikanisches" Opernflair zu sichern – und dies auf der musikhandwerklichen Grundlage eines gewieften Praktikers fusionierter Stilrichtungen, der das Komponieren nicht nur als profitablen Nebenerwerb zu betrachten scheint.
Der Fortgang der Handlung mit prächtig singenden, von ihrer Erscheinung und von ihrer dialogischen Gegenwärtigkeit her absolut glaubhaften Darstellern – Regie: Colin Graham – wird in dieser audiovisuellen Dokumentation ohne jede Extravaganz gewährleistet, so daß man mit der Zeit die musikalische Grundierung wirklich nur noch als akustische Stimulanz empfindet. Man hat als Zuschauer genug zu tun, sich dem wirren Hin und Her um Lüge, Täuschung und Fehlidentifikation zu widmen, zumal die von Williams intendierte Kurzatmigkeit der Bilder und Szenen erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Unter diesen Umständen bieten Renée Fleming, der prächtig gebaute Rodney Gilfry und ihre Mitspieler eine packende Milieustudie, ganz gleich, ob sie leicht oder bürgerlich bekleidet ihr Heil im Unglück suchen. Es lohnt sich also, diese Arthaus-Edition zu erwerben, sofern ein elementares Interesse für das Musiktheater unserer Tage vorhanden ist.
Peter Cossé † [30.11.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
André Previn | ||
1 | Endstation Sehnsucht |
Interpreten der Einspielung
- Renée Fleming (Mezzosopran)
- Elizabeth Futral (Mezzosopran)
- Judith Forst (Mezzosopran)
- Rodney Gilfry (Bariton)
- Anthony Dean Griffey (Bariton)
- San Francisco Opera Chorus and Orchestra (Kleines Orchester)
- Sir André Previn (Dirigent)