Frank Martin
Le Mystère de la Nativité
Musikszene Schweiz CD 6173
2 CD • 1h 41min • 2000
01.06.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dies ist ein schönes Plädoyer für einen Komponisten, der – zu Unrecht – ein bißchen zwischen Stuhl und Bank gefallen zu sein scheint. Frank Martin, gebürtiger Westschweizer und später nach Holland gezogen, hat sich von stilistischen Grabenkämpfen ferngehalten; er kannte Debussys Impressionismus wie Schönbergs Dodekaphonik und versuchte sie in eine eigene Schreibweise einzuschmelzen. Gegen Ende seines langen Lebens (1890-1974) wandte sich Martin vermehrt geistlichen Stoffen zu; hier konnte er seine Liebe zu Bach auf sehr persönliche Art ausformen.
Frank Martin bemühte sich um Eingängigkeit und ist doch nie richtig populär geworden. Das mag mit einer gewissen Herbheit seiner expressiven Tonsprache zusammenhängen. Ihr – ohne Verrat am Spirituellen – eine gewisse Sinnlichkeit zuzumessen, muß ein vorderstes Ziel heutiger Interpretation sein. Gerade La Mystère de la Nativité, eine Art Weihnachtsoratorium (nicht aber nach biblischen Texten, vielmehr nach Ausschnitten aus einem mittelalterlichen Mysterienspiel von Arnold Greban), verlangt nach starker, unverfälschter Wirkung. Das Theatralische, das dieser Musik eingeschrieben ist (der Komponist favorisierte eine szenische Darbietung mit dreigeteilter Bühne: Himmel, Erde, Hölle), soll spürbar bleiben. So wie auch die von Martin gewünschte "simplicité et pureté" eben nicht bloß schlicht und harmlos ist, sondern eine reiche Palette an Phantasie und Klangfarben offenbart.
Dem wird die hier mitgeschnittene Luzerner (Konzert-)Aufführung vom vergangenen Dezember auf schlüssige Weise gerecht. Sie verfügt über Klangpracht und erstrebt auffallend dramatische Züge. Dabei scheint die menschliche Stimme, vor allem in den Chören, gegenüber dem Orchester bevorzugt. Zumeist wird im Vokalen erstklassige Arbeit geleistet, die vereinigten Choristen erreichen hohe Plastizität; freilich garantieren die acht Gesangssolisten nicht alle das gleiche Niveau. Das merkt man natürlich im Vergleich zum hochbesetzten Live-Dokument der Uraufführung 1959 in Genf. Dort ließ Ernest Ansermet heller, lockerer singen und auch transparenter; der erfahrene Luzerner Chef Alois Koch zielt eher auf al fresco-Effekte und beschert damit dem musikalischen Geschehen mitreißende Momente.
Mario Gerteis † [01.06.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Frank Martin | ||
1 | Le Mystère de la Nativité (Oratorium, 1957/1959) |
Interpreten der Einspielung
- Barbara Locher (Sopran)
- Liliane Zürcher (Mezzosopran)
- Christophe Einhorn (Tenor)
- Hans-Jürg Rickenbacher (Tenor)
- Peter Brechbühler (Bariton)
- Philippe Huttenlocher (Bariton)
- Michael Pavlu (Baß)
- Rudolf Rosen (Baß)
- Mozart-Ensemble der Musikhochschule Luzern (Ensemble)
- Akademiechor Luzern (Chor)
- Mädchenchor inVoice Städtische Musikschule Luzern (Chor)
- Luzerner Sinfonieorchester (Orchester)
- Alois Koch (Dirigent)