Weltliche Kantaten
hänssler CLASSIC 92.064
1 CD • 78min • 1994/95, 2000
01.12.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Seine Gesamteinspielung der geistlichen Kantaten Bachs, die zum Jubiläumsjahr 2000 in die Hänssler-Edition sämtlicher Bachwerke eingeflossen ist, hatte Helmuth Rilling bereits Mitte der 80er Jahre, damals zum 300. Geburtstag des Thomaskantors, abgeschlossen. Was seither noch folgte, waren die oratorischen Werke, die weltlichen Kantaten und, gewissermaßen in der Schlußkurve, einige der Varianten, denn manche sakrale Partitur gründet – freilich mit verändertem Text – auf dieselbe musikalische Substanz, die zuvor einem weltlichen Huldigungsstück bestimmt war. Man nehme zum Beispiel die Kantate BWV 36 Schwingt freudig euch empor, die auf gleich drei Vorläufermodelle verweisen kann und somit eine ganze Werkgruppe umfaßt: Zunächst Gratulationsmusik für einen betagten Lehrer an der Thomasschule, verwendete sie Bach im Parodieverfahren auch für die Geburtstagsfeier der Fürstin Charlotte zu Anhalt-Köthen, um sie einige Jahre danach zu einer Adventskantate zu schmieden, die er später abermals modifizierte und erweiterte. Bei einer solchen Fassungsvielfalt muß für Gesamtaufnahmen die Gretchenfrage lauten: Lohnt es, sämtliche Varianten zu produzieren, oder sollte man sich auf eine Auswahl beschränken? Rilling hat sich klug für jene Fassungen entschieden, die über die Textmodifikationen hinaus eine eigene musikalische Originalität aufweisen. Gewiß: Der fraglos spannende Vergleich ist eher ein Feld für Musikologen als für die breite Hörerschaft, aber Rillings vitale Interpretation macht die Begegnung auch für Laien zu einem lohnenden Unterfangen. Sein Bach-Verständnis ist durch und durch ausgereift, jede Phrasierung, jede Artikulation mit Hintersinn eingesetzt, wodurch ein hochdifferenziertes musikalisches Gewebe entsteht. Die Gächinger Kantorei folgt ihrem Chef bis ins kleinste Detail, man ist perfekt aufeinander eingestimmt – Frucht einer jahrzehntelangen gemeinsamen Arbeit. Zwiespältiger ist das Ergebnis bei den Solisten. Rundum Erfreuliches (etwa der textverständlich und nuanciert artikulierende Tenor Marcus Ullmann) mischt sich hier mit Solidem (die vier Sopranistinnen und die Altistin Ingeborg Danz) und weniger Zufriedenstellendem: Andreas Schmidts häufige Engagements als Amfortas oder Beckmesser sind wohl doch zu Lasten der stimmlichen Geläufigkeit gegangen, und Klaus Häger und Michael Volle klingen ebenfalls eher bemüht als souverän.
Susanne Stähr [01.12.2000]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Schleicht, spielende Wellen, und murmelt gelinde BWV 206 (Kantate) | |
2 | Auf, schmetternde Töne der muntern Trompeten BWV 207a (Kantate) | |
3 | Vereinigte Zwietracht der wechselnden Saiten BWV 207 |
Interpreten der Einspielung
- Christine Schäfer (Sopran)
- Marlis Petersen (Sopran)
- Ingeborg Danz (Alt)
- Stanford Olsen (Tenor)
- Marcus Ullmann (Tenor)
- Michael Volle (Bass)
- Klaus Häger (Bass)
- Gächinger Kantorei Stuttgart (Chor)
- Bach Collegium Stuttgart (Orchester)
- Helmuth Rilling (Dirigent)