Orfeo C 420 983 F
3 CD • 2h 55min • 1997
01.02.1999
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach Didone abbandonata nimmt sich Orfeo nun einer weiteren Oper dieses erstaunlichen Niccolò Jommelli an, der sich in den Jahrzehnten unmittelbar vor Mozart höchst erfolgreich als ein Großmeister der Opera seria etablieren konnte und als solcher manche Neuerung vorwegnahm, die pauschal dem Reformwerk Glucks zugeschrieben wird. Trotzdem überdauerte keine einzige seiner mehr als achtzig Opern die Zeit. Somit war 1982 bei der Wiederauffúhrung von La Schiava liberata quasi ein unbekannter Komponist zu entdecken.
Vertrat Jommelli zunächst die neapolitanische Schule, so wurde der bei Neapel Geborene später, als Stuttgarter Hofkapellmeister (1753-1769), zum Erneuerer dieser Opernform. In dem Bemühen, den starren Schematismus der Seria aufzubrechen, wurde die prägende Funktion der Dacapo-Arie durch Einführung verschiedener Formen drastisch reduziert. Nun finden sich mehr zweiteilige als dreiteilige Arien, nur noch die Cavatinen erscheinen groß dimensioniert, während kürzere Arien allzu langen Unterbrechungen des dramatischen Ablaufs vorbeugen. Außerdem führte Jommellis Auseinandersetzung mit der deutschen, mehr noch der französischen Oper zur auflockernden Hereinnahme von Chören und ariosen Szenen sowie zur beträchtlichen Aufwertung des Orchesterparts (u.a. durch begleitete Rezitative und obligate Funktionen für Bläser). Die Integration von crescendo und decrescendo als Faktoren der musikalischen Dynamik sowie extreme Kontraste auch in den Tempi können als Markenzeichen gelten für diesen zu seiner Zeit geradezu vergötterten Opernschöpfer.
Das 1766 im Schloßtheater Ludwigsburg uraufgeführte Dramma per musica in drei Akten Il Vologeso stammt aus Jommellis auch qualitativ ergiebigster Schaffensperiode (mehr als 20 Opern für den Stuttgarter Hof); es benützt eine mehrfach vertonte, auch szenisch spektakuläre Episode aus der römischen Zeit. Der Schluß des Ganzen wirkt dramaturgisch allerdings schwach, weil ein zehnminütiges Rezitativ nötig wird, um zum unwahrscheinlichen Ende zu finden, das mit einem nur eineinhalbminütigen Ensemble besiegelt wird.
Orfeo setzte mit Recht wieder auf Frieder Bernius und das Stuttgarter Kammerorchester, die eine von Energie und Temperament strotzende, spannende, extrem kontrastreiche, ausgezirkelte Wiedergabe zustande brachten, die reich mit instrumentalen Feinheiten gewürzt ist. Aus einem Ensemble von gut geeigneten, beweglichen Stimmen ragen die beiden Rivalen um die jugendfrische, beseelte Berenice, Vologeso und Lucio Vero heraus: Der Sopranist Jörg Waschinski klingt wirklich wie ein richtiger – also weiblicher – Sopran, er hat nichts Gequältes an sich, sondern setzt sein schönes Timbre kultiviert und überlegen ein. Lothar Odinius’ gewandter Tenor zeigt sich koloraturfähig und andererseits auch zu heftigster, intensivster dramatischer Gestaltung in der Lage (CD 2, Tr. 4).
Hermann Schönegger [01.02.1999]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Niccolò Jommelli | ||
1 | Il Vologeso |
Interpreten der Einspielung
- Jörg Waschinski (Sopran)
- Gabriele Rosmanith (Sopran)
- Mechthild Bach (Sopran)
- Helene Schneiderman (Alt)
- Daniel Taylor (Countertenor)
- Lothar Odinius (Tenor)
- Stuttgarter Kammerorchester (Orchester)
- Frieder Bernius (Dirigent)