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The Star of Mendelssohn

Marina Baranova

Berlin Classics 0304160BC

1 CD • 46min • 2025

04.12.2025

Künstlerische Qualität:

Klangqualität:

Gesamteindruck:

Wer um Himmelswillen kam auf die Idee, in die „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy englische Weihnachtslieder hineinzuschmuggeln? Es ist die ursprünglich aus der Ukraine stammende, jetzt in Hannover lebende Pianistin Marina Baranova, die mit großem Improvisations- und Variationsvergnügen auf diesem Album mit dem Titel „The Star of Mendelssohn“ diese Idee umsetzt. Vielleicht sollte man diese Formulierung hier auch als Genitivus objektivus lesen: ein Stern für Mendelssohn. Denn es ist sowohl eine Verbeugung vor als auch eine Huldigung für Mendelssohn. Da die Pianistin jüdischen Glaubens ist, bezieht sie die Haltung von Felix Mendelssohn Bartholdy, der aus einer jüdischen Familie stammte, aber protestantisch getauft und erzogen wurde, auf sich: Im Booklet wird die Nähe des christlichen Weihnachtsfestes zum jüdischen Chanukka-Fest erwähnt und betont, dass die Pianistin „sich heute zu einer echten ‚Weihnachtsexpertin‘ gemausert“ habe. Und tatsächlich ist diese Aufnahme schon ihre zweite Weihnachts-CD.

Lieder mit Worten

Erstaunlicherweise funktioniert Baranovas Experiment: Verblüffend passgenau ist das altenglische Lied Greensleeves (obwohl wahrlich kein Weihnachtslied) in das venezianische Gondellied von op. 19/6 (Track 2) eingebettet ebenso wie das Weihnachtslied O Come, All Ye Faithfull (unser Adeste fideles) in das Lied ohne Worte op.19/1 (Track 8), so dass Marina Baranova kurzerhand die „Lieder ohne Worte“ umdeutet als Lieder mit Worten. Warum sie aber das Goethe’sche Trinklied (Track 7) und das englische Abschiedslied Auld Lang Syne mit einbaut, weiß nur sie. Dafür improvisiert sie gleich zweimal, einmal in E-Dur und einmal in Fis-Dur, hier mit tiefdunklen Basstönen grundiert, das Mendelssohn’sche Hark! The Herald Angels Sing (Tracks 6 und 14). Ein „Christmas Scherzo“ aus Mendelssohns Sommernachtstraum-Ouvertüre zu machen und damit einen Midwinter Night’s Dream, ist auch eher eine scherzhafte Idee. In die Klavierbearbeitung dieser Ouvertüre von Rachmaninoff versteckt Marina Baranova gleich acht Weihnachtslieder, sogar die Stille Nacht ist im glitzernden Diskant zu hören: ein heiteres Such-Spiel.

Ein freudig klingelndes Carillon

Die Bearbeitung des Mendelssohn’schen Liedes Auf Flügeln des Gesanges durch Franz Liszt nimmt die Pianistin ausdrucksschwer langsam, zu langsam, wie ich meine. Die Vortragsbezeichnung heißt hier „Andante tranquillo“ – Baranova nimmt das „tranquillo“ ernster als das „Andante“, wodurch der Melodie das Fliegende und Fließende genommen wird. Dieses – nicht weihnachtliche – Stück ist der Übergang zu Liszts zwölfteiliger Suite Weihnachtsbaum, aus dem Marina Baranova (nur) zwei Stücke auswählt: das freudig klingelnde und flirrende Carillon und das – wieder zu langsame – In dulci jubilo.

Alles ist in gutem Raumklang aufgenommen – wo, das wird nicht angegeben – und zeigt die Qualität von Marina Baranovas Klavierspiel. Jetzt möchte man mal die Lieder ohne Worte im Original von ihr hören.

Rainer W. Janka [04.12.2025]

Komponisten und Werke der Einspielung

Interpreten der Einspielung

• Marina Baranova * 1981 (Klavier)