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Besprechung CD

Ethel Smyth

Der Wald

cpo 555 650-2

1 CD • 63min • 2024

23.10.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Zu Lebzeiten eine Berühmtheit, nach ihrem Tod fast völlig vergessen, erlebt die englische Komponistin Ethel Smyth (1858-1944) seit einiger Zeit auch in Deutschland eine regelrechte Renaissance. Ihre bekannteste Oper The wreckers (unter dem Titel Strandrecht 1906 in Leipzig uraufgeführt) erlebte im vergangenen Jahr nicht weniger als drei Produktionen an deutschen Bühnen, der vorangegangene Einakter Der Wald (UA 1902 an der Berliner Hofoper) kam im gleichen Zeitraum an den Wuppertaler Bühnen heraus. Der akustische Mitschnitt dieser Aufführung liegt jetzt bei cpo vor und zeigt die Britin als eine Zeugin deutscher Musiktradition.

Der Weg zur Oper

Ethel Smyth war eine der schillerndsten Persönlichkeiten ihrer Zeit, nicht nur als Komponistin von Bedeutung, sondern auch als Schriftstellerin, politische Aktivistin (Kämpferin für das Frauenwahlrecht) und prominente Zeitzeugin. Mit einem Hungerstreik erzwang sie von ihren Eltern die Einwilligung, in Leipzig Musik zu studieren, doch fand sie dort den Unterricht zu oberflächlich und wurde dann Privatschülerin Heinrich von Herzogenbergs, mit dessen Frau Elisabeth sie eine leidenschaftliche Liebesaffäre hatte. Bald machte sie die Bekanntschaft mit einigen Musikgrößen der Zeit – mit Brahms, Grieg, Rubinstein und später Tschaikowsky. Ihre ersten Kompositionen erschienen, fanden aber noch ein geteiltes Echo. Erst mit der Uraufführung der Messe in D in der Londoner Royal Albert Hall (1893), die auch ein gesellschaftliches Ereignis war, erlebte sie einen Durchbruch. Die Bekanntschaft mit Elisabeths Schwager Henry Brewster, der ein großer Opernfreund war, führte sie dazu, sich mit seiner Hilfe auch in diesem Genre zu betätigen. Und sie hatte dabei gezielt den deutschen „Markt“ im Auge. Ihr erster Versuch Fantasio (UA Weimar 1898) war noch ein Misserfolg. Doch die zweite Oper Der Wald wurde nach der heftig akklamierten Premiere in Berlin auch an der Londoner Covent Garden Opera und an der Metropolitan Opera erfolgreich aufgeführt.

Im Geiste deutscher Romantik

Unterstützt von Brewster schrieb Smyth das deutsche Libretto selbst, das ganz im Mythenbereich der Romantik angesiedelt ist. Die Hochzeit Röschens mit dem Forstknecht Heinrich steht bevor, doch die Braut hat bange Ahnungen. Jolanthe, die von den Waldbewohnern als Hexe gefürchtete Geliebte des Landgrafs Rudolf, ist in der Gegend aufgetaucht und wirft sogleich ein begehrliches Auge auf den Bräutigam, der ihrem Werben jedoch widersteht. Als er kurz darauf als Wilderer entlarvt und zum Tode verurteilt wird, kann nur sie ihn retten. Doch er widersteht weiterhin und zieht die Konsequenzen. Jolanthe ist eine Mischung aus der Hexe Lorelei in Eichendorffs Gedicht Waldgespräch und der männermordenden femme fatale des fin de siècle, Röschen ihr reines Gegenstück – eine Konstellation, die in der Oper seit Bizets Carmen sehr beliebt war, man denke an Tigrana und Fidelia in Puccinis Edgar. Die reine Liebe kann nur im Tode überleben und so stirbt Röschen am Ende über der Leiche Heinrichs wie weiland Isolde einen – hier sehr knapp ausgeführten – Liebestod. Der Wald nimmt ihre Seelen auf und der Chor der Waldgeister, der den Prolog und den Epilog der einaktigen Oper bestreitet, entlässt den Zuschauer mit der tröstlichen Versicherung: „Vergänglich ist der Sterblichen Leid, vergänglich der Sterblichen kurze Lust. Wir aber leben uralt wie der Himmel und jung wie des Frühlings sich ewig erneuende Zauberpracht“.

Stimmungsreiche Momente

Musikalisch steht Der Wald ganz in der Tradition der deutschen romantischen Oper Marschners und Webers. Anklänge an Wagner sind auch vorhanden, aber eher vordergründig. Das Prinzip der Nummernoper wird nicht aufgegeben, es gibt volkstümliche Chöre und Tänze, kurze Arien und zwei zentrale Duett-Szenen. Überschwänglich hymnisch besingen Röschen und Heinrich ihre Liebe und beschwören den „heiligen Wald“. Darauf begegnen sich Heinrich und Jolanthe in einem kontroversen Dialog, der Erinnerungen an Venus und Tannhäuser heraufbeschwört. Der musikalische Gesamteindruck dieses Stücks lässt den Schluss zu, dass Smyth ein eher lyrisches als dramatisches Talent besaß. Sie war eine Meisterin der Instrumentationskunst, und als solche schafft sie immer wieder farbige und stimmungsreiche Momente, die auch die Magie des Waldes einzufangen verstehen. Der dramatische Spannungsbogen geht dabei ein bisschen verloren.

Klangzaubereien

Der Mitschnitt aus Wuppertal, wo das Stück in Kombination mit Arnold Schönbergs Wald-Monodram Erwartung gegeben wurde, lässt die Qualitäten der Musik vor allem im orchestralen Bereich zu voller Wirkung kommen. Was Patrick Hahn und das Sinfonieorchester Wuppertal an geradezu impressionistischen Klangzaubereien aus der Partitur herausholen, ist bewundernswert. Im Solistenensemble findet sich kein einziger deutscher Sänger, was nicht untypisch für die derzeitige Besetzungspolitik an deutschen Stadttheatern ist. Die vokalen Leistungen sind solide, aber in keiner Position überragend. Die Japanerin Mariya Taniguchi zeigt als Röschen das Timbre einer typischen „Taumännchen“-Stimme, offenbart dann aber im Finale überraschende dramatische Ressourcen. Die amerikanische Mezzosopranistin Edith Grossman gibt Jolanthe eher dominant-aggressiv als sinnlich-verführerisch. Die attraktivste Stimme hat der koreanische Tenor Sangmin Jeon als Forstknecht Heinrich aufzubieten, dessen Stärken allerdings mehr im italienischen als im deutschen Fach zu liegen scheinen. In puncto Textverständlichkeit sind nicht nur bei den Solisten, sondern auch beim Wuppertaler Opernchor Abstriche zu machen.

Ekkehard Pluta [23.10.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ethel Smyth
1Der Wald (Musikdrama mit Prolog und Epilog in einem Akt) 01:02:37

Interpreten der Einspielung

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