Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Heimwee

Lieder aus zwei Heimaten
Linda van Coppenhagen

Monarda Music 109462

1 CD • 52min • 2023

20.05.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

In den Jahren der Pandemie fühlte sich die südafrikanische Sopranistin Linda von Coppenhagen, die seit 2011 in Deutschland lebt, gleich doppelt heimatlos. Sie war abgeschnitten von ihrer Familie in Südafrika und von ihrer künstlerischen Heimat auf der Bühne und im Konzertsaal. Mit dem vorliegenden Album, gemeinsam mit dem ebenfalls aus Südafrika stammenden Pianisten David Grant und der Berliner Klarinettistin Friederike von Oppeln-Bronikowski erarbeitet, hat sie einen produktiven Ausweg aus dieser Isolation gefunden.

Ein Meister aus Südafrika

Stephanus Le Roux Marais (1896-1979), eine Ikone des südafrikanischen Musiklebens, dürfte bei uns kaum bekannt sein, auch wenn es etliche Aufnahmen seiner Werke gibt. Er war über Jahrzehnte als Organist und Musikpädagoge tätig und daneben als Komponist überaus fruchtbar, vor allem im Bereich der Vokalmusik. Sein historisches Verdienst lag in der Entwicklung des Kunstlieds aus den Quellen der Volksmusik, wobei er sich am Stil der europäischen Romantik orientierte. Die Einfachheit der Form und die Eingängigkeit der Melodien sicherten seinen Liedern eine große Popularität. Die drei, die Linda von Coppenhagen hier präsentiert, sind um 1930 entstanden. Und speziell Heimwee, das dem Album den Titel gibt, ist ein regelrechter Ohrwurm, in neuerer Zeit von der Südafrikanerin und langjährigen Wiener Primadonna Mimi Coertse in exemplarischer, bewegender Weise aufgenommen.

Stimme und Klarinette

In der Musikgeschichte hat der Kasseler Hofkapellmeister Louis Spohr (1784-1859) einen festen Platz als ein Meister der romantischen Instrumentalmusik, auch seine Oper Jessonda konnte sich lange Zeit auf den Spielplänen der deutschen Theater behaupten, fast vergessen sind dagegen seine etwa 90 Lieder, einige davon in ungewöhnlicher Besetzung. Sechs deutsche Lieder op. 103 beispielsweise fügen der Gesangsstimme und dem begleitenden Klavier eine sehr selbständig agierende Klarinette hinzu. Es handelt sich bei diesem 1837 erstmalig veröffentlichten Zyklus um eine Auftragsarbeit für die Fürstin von Sondershausen, die zugleich dem damals berühmten Klarinettisten Johann Simon Hermstedt Gelegenheit gab, seine Virtuosität zu zeigen. Spohr kannte Hermstedt seit langem und hatte für ihn schon vorher drei Konzerte geschrieben. Der Zwiegesang (oft beinahe Wettgesang) von Stimme und Instrument verleiht dem textlich biedermeierlichen und in der musikalischen Form eher konventionellen Zyklus einen spezifischen Reiz.

Gesungene Selbstbekenntnisse

Mit fünf ausgewählten Liedern von Richard Strauss begibt sich die Sängerin dann auf bekanntes, diskographisch reichlich erforschtes Terrain, aber für sie hat das vorliegende Programm vor allem Bekenntnischarakter: „Jedes Lied auf diesem Album fängt in Wort und Musik eine bestimmte Essenz meines Lebens ein. Es handelt von den vielen Facetten der Liebe: von der Liebe zur Heimat, zur Natur, zum Geliebten, von der unvergleichlichen Liebe zum eigenen Kind und von der Liebe zu Gott.“ Eine solche Facette entdeckt sie auch in Franz Schuberts Der Hirt auf dem Felsen „Es ist, als ob Schubert selbst neben mir gestanden hätte, als ich mitten im südafrikanischen Drakensberg-Gebirge aus voller Brust gesungen habe.“ Wie in den Gesängen Spohrs kommt auch in diesem späten Schubert-Lied der Klarinette eine der Stimme gleichberechtigte Rolle zu, womit sich der Kreis des Programmablaufs sinnvoll schließt.

Schiere Lebensfreude

Die besondere Qualität dieses Albums liegt in der Spontaneität des Vortrags, der unbändigen Lust des Musizierens. Ein kleines Tonstudio in Leipzig wurde hier für ein paar Tage zur Fluchtburg in Zeiten der Pandemie, von der aus sich musikalische Botschaften an die Außenwelt senden ließen. Linda von Coppenhagens heller und frischer Sopran, auf der Bühne in Rollen wie dem Freischütz-Ännchen erprobt, signalisiert auch in eher melancholischen Gesängen schiere Lebensfreude. Ihre bravouröse Partnerin an der Klarinette, Friederike von Oppeln-Bronikowski, und der versierte Pianist David Grant stützen diesen Optimismus mit erheblicher Power. Dieser Power kann auch der kritische Hörer kaum widerstehen und ist deshalb geneigt, über die Bedenkenlosigkeit hinwegzuhören, mit der von den Künstlern beinahe alle dynamischen Vortragsbezeichnungen ignoriert werden. Da gibt es zwischen pp und ff kaum nennenswerte Differenzierungen, und es bleibt beispielsweise in Spohrs Wiegenlied fraglich, ob ein Kind bei diesem musikalischen Getümmel überhaupt einschlafen kann.

Ekkehard Pluta [20.05.2025]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Louis Spohr
1Sei still mein Herz op. 103 Nr. 1 00:05:39
2Zwiegesang op. 103 Nr. 2 00:02:18
3Sehnsucht op. 103 Nr. 3 00:02:21
4Wiegenlied op. 103 Nr. 4 00:02:46
5Das heimliche Lied op. 103 Nr. 5 00:05:07
6Wach auf op. 103 Nr. 6 00:02:44
Stephanus le Roux Marais
7Heimwee 00:02:47
8Mali die slaaf se Lied 00:03:37
9Geboorte van die Lente 00:02:01
Richard Strauss
10Schlagende Herzen op. 29 Nr. 2 00:02:36
11Ich trage meine Minne op. 32 Nr. 1 00:02:09
12Die Nacht op. 10 Nr. 3 00:02:22
13Ständchen op. 17 Nr. 2 00:02:32
14Schlechtes Wetter op. 69 Nr. 5 00:02:15
Franz Schubert
15Der Hirt auf dem Felsen D 965 op. posth. 129 00:11:13

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

18.05.2025
»zur Besprechung«

Liedgeschwister, Lieder aus Japan und Europa / Songs from Japan and Europe

27.02.2025
»zur Besprechung«

Zwischen Himmel und Erde, Messiaen | Webern | Finzi | Strauss

10.07.2024
»zur Besprechung«

The Voice of Piano, Carmen Stefanescu

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige