Friedrich Gernsheim
Piano Concerto op. 16 • Cello Concerto op. 78 • Zu einem Drama op. 82

cpo 555 152-2
1 CD • 65min • 2017
03.02.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ein Mensch, der besonders witzig erscheinen wollte, hat Friedrich Gernsheim einmal einen „vorauseilenden Epigonen von Brahms“ genannt – vorauseilend deshalb, weil Gernsheims Erste Symphonie ein Jahr vor ihrem Brahms'schen Gegenstück fertig wurde. Nun pflegt sich die Kritik des Etiketts „Epigone“ immer dann zu bedienen, wenn man es sich bequem machen und die Künstler in bestimmte Schubladen einsortieren will. Was aber, wenn das Werk des Künstlers dafür sorgt, dass die Schublade nicht richtig zugehen möchte?
Ein rheinischer Symphoniker
Dass der 1839 in Worms geborene Gernsheim seinem sechs Jahre älteren Zeitgenossen Brahms viel verdankt, hört, um mit letzterem zu sprechen, „jeder Esel“. Aber allen Wendungen zum Trotz, die den Einfluss von Brahms verraten, klingt die Musik oft genug nicht sonderlich brahmsisch. Es herrschen andere Licht- und Schattenverhältnisse, ein anders Klima, eine andere Grundstimmung darin. Nennen wir diese ruhig „rheinländisch“, denn sie ist nahe verwandt derjenigen, welche die Musik Max Bruchs prägt, der nur ein Jahr vor Gernsheim gut 200 km rheinabwärts in Köln zur Welt kam und ihm über lange Zeit ein enger künstlerischer Weggefährte blieb! Verglichen mit Bruch wirkt Gernsheims Harmonik belebter, sein Periodenbau kunstvoller, seine Formgestaltung souveräner. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass Gernsheim einer der bedeutendsten deutschen Symphoniker seiner Generation gewesen ist.
Die letzten Jahre haben eine erfreuliche Zahl an CD-Einspielungen Gernsheimscher Werke hervorgebracht, wobei sich keine andere Tonträgerproduktion so intensiv um das Schaffen des Komponisten gekümmert hat wie cpo. Nach mehreren Kammermusik-CDs widmet sich die neueste Folge der Reihe wieder der Orchestermusik. Hermann Bäumer und das Philharmonische Staatsorchester Mainz, die bereits Gernsheims Symphonien für cpo aufgenommen haben, musizieren zwei Konzerte, das frühe Klavierkonzert und das späte Cellokonzert, sowie den krönenden Abschluss seines symphonischen Schaffens, die Tondichtung Zu einem Drama. Das Cellokonzert und Zu einem Drama erscheinen damit zum zweiten Mal auf CD. Beim Klavierkonzert handelt es sich um eine Ersteinspielung.
Gemischte Eindrücke
Gegenüber dem rabiaten Eilspurt, mit dem Hannu Lintu vor Jahren das einsätzig-dreiteilige Cellokonzert in weniger als 14 Minuten für Hyperion bewältigte, bedeutet die Aufnahme Bäumers, der sich dreieinhalb Minuten mehr Zeit lässt, eine Verbesserung. Allerdings wirkt Bäumers Dirigat dafür stellenweise zu vorsichtig. Gerade wenn Soloinstrument und Orchester einander die Motive gegenseitig zuspielen, erscheint das Orchester als der schwächere Partner. Der Solist Alexander Hülshoff artikuliert differenziert und findet einen warmen Ton – vibratoreich, ohne zu übertreiben –, doch wünschte man, er würde vom Orchester stärker herausgefordert.
Besser gelingt die Darbietung des Klavierkonzerts, in welcher Oliver Triendl, der das Werk bereits einmal für den Rundfunk aufgenommen hat, am Flügel zu hören ist. Hier erweisen sich Klavier und Orchester als gleichrangige Partner – gewiss auch befeuert von der Musik selbst, die den Kontrast von Solo und Tutti stärker betont als im späteren Werk.
Vergleicht man Bäumers Aufführung von Zu einem Drama mit der bei Sterling erschienenen des SWR Radiofunkorchesters Kaiserslautern unter Klaus Arp, so klingen die raschen Eckteile unter Bäumer weniger zupackend, der in die Durchführung eingefügte langsame Abschnitt ruht mehr in sich als dass er die musikalische Handlung voranbringt. Insgesamt geht es bei Arp dramatischer zu, sodass ich denjenigen, die sich besonders für dieses Werk interessieren, eher zu der älteren Einspielung rate.
Ein, wie bei cpo üblich, erfreulich ausführlicher Begleittext ergänzt die Produktion.
Norbert Florian Schuck [03.02.2025]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Friedrich Gernsheim | ||
1 | Klavierkonzert c-Moll op. 16 | 00:28:11 |
4 | Zu einem Drama op. 82 | 00:19:34 |
7 | Violoncellokonzert e-Moll op. 78 | 00:17:31 |
Interpreten der Einspielung
- Alexander Hülshoff (Violoncello)
- Oliver Triendl * 1970 (Klavier)
- Philharmonisches Staatsorchester Mainz (Orchester)
- Hermann Bäumer (Dirigent)