Antonio Cesti
Natura et quatuor elementa dolentia ad Sepulcrum Christi
cpo 555 419-2
1 CD • 59min • 2021
07.10.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wer Pier Antonio Cesti (1623-1669) nicht kennt, kennt jedoch womöglich seinen größten Hit „Intorno all’idol mio“, der zu den beliebtesten der Arie antiche gehört, deshalb gern im Gesangsunterricht studiert wird und von Gesangsgrößen wie Elisabeth Schwarzkopf, Janet Baker, Cecilia Bartoli sowie Benjamino Gigli aufgenommen wurde. Die Ensembles Polyharmonique und Teatro del mondo haben sich jetzt eines seiner wenigen geistlichen Werke, einen Oratorium zur Verehrung des Heiligen Grabes, angenommen, das 1667 in Wien uraufgeführt wurde, als sich der Komponist zur Produktion seiner Prunkoper zur kaiserlichen Hochzeit Il pomo d’oro – nicht die Tomate, sondern „Der goldene Apfel“ – dortselbst aufhielt.
Ein frecher Franziskaner
Cesti trat als 14-Jähriger in den Franziskanerorden ein, man nimmt an, hauptsächlich um eine musikalische Ausbildung zu erhalten. Er studierte von 1637-1545 bei Antonia Maria Abbatini zunächst in Cittá di Castello und später in Rom, wo er möglicherweise auch Unterricht bei Giacomo Carissimi, dem Lehrer Jean-Baptiste Lullys erhielt. Ab 1650 trat er in Venedig als Opernkomponist und Sänger (Tenor, später auch Bass) in Erscheinung. Für diese weltlichen Aktivitäten erhielt er mehrfach ernste Ermahnungen seitens der Ordensoberen. 1652 engagierte ihn Erzherzog Ferdinand Karl nach Innsbruck. 1666 wurde er kaiserlicher Vizekapellmeister in Wien. Stilistisch folgt er dem Vorbild Carissimis: Seine Rezitative erinnern an den „stilo concitato“ Monteverdis; seine Arien folgen noch vorwiegend der Strophenform und werden von Ritornellen gegliedert.
Eine „alchymistische“ Anbetung des heiligen Grabes
Ein typisch katholischer Brauch, der im Gegensatz zum eher nüchternen Protestantismus auf sinnliche Erfahrbarkeit von Glaubensinhalten setzt, besteht darin, nach der eigentlichen Karfreitagsliturgie im Altarraum ein heiliges Grab aufzubauen, um dort den Tod des Erlösers zu betrauern. Im Zuge der Gegenreformation wurde dieser Brauch durch dessen musikalische Gestaltung attraktiver gemacht. Und so ruft die Natur (Alt) – als „materia prima“ – die Elemente Erde ( Tenor), Wasser (Sopran). Luft (Sopran) und Feuer (Bass) auf, mit ihr um den Toten zu trauern. Die knapp einstündige Komposition wird durch den Ruf „Currite, currite“ – „Kommt herbei“ - (Tracks 2, 6, 11, 13, 21), der sich von der Ein- zur Fünfstimmigleit steigert und am Ende die Zuhörer einbezieht, ritornellartig gegliedert.
Aufführungspraktisch sind die Werke eine Herausforderung, da Instrumentenangaben spärlich sind und die Ritornelle, die teilweise nur als Bass-Stimme ohne Bezifferung vorliegen, sehr viel Erfahrung in historischer Improvisation voraussetzen.
Höchst gelungene Interpretation
Man kann dem Ensemble Polyharmonique und dem Teatro del Mondo zu dieser Ersteinspielung nur gratulieren. Die Einrichtung der in den Instrumentalstimmen dreistimmigen „Res facta“ – so der Fachterminus für Particelle des italienischen 17. Jahrhunderts, wie sie auch für Ulisse und Poppea von Claudio Monteverdi überliefert sind – von Cestis Natura et quatuor elementa dolentia ad Sepulchrum Christi für 2 Violinen, die mit 2 Blockflöten alternieren und eine mit Gambe, Harfe, Theorbe und Tasteninstrument reich besetzte Continuo-Gruppe gestützt werden, ist wahrlich gelungen. Gut, wenn man sich in diesem Fall auf zwei Instrumentalistinnen verlassen kann, die sowohl Geige wie Blockflöten souverän beherrschen und zu ornamentieren wissen. Die Instrumentation und Umsetzung der Harmonien des Continuo passt sich nahtlos den vorherrschenden Affekten an. Auch Sängerisch gibt es allerhöchstens die etwas pastose und dadurch wenig textverständliche Klanggebung von Countertenor Alexander Schneider in der Hauptrolle der Natura zu beanstanden, der hierdurch jedoch affektgemäße Farben gewinnt. Eine Glanzleistung gelingt Magdalene Harrer als Aura mit luftigen Koloraturen und sinnvollen Diminutionen. Lob auch an Matthias Lutze, Ignis, für seine gestochenen, ohne Aspirationen wirklich „feurigen“ Koloraturen.
Das Booklet wartet mit einer exzellenten Werkeinführung und dem vollständigen Libretto mitsamt Übersetzungen des in anspruchsvollem Latein verfassten Texts auf. Die Technik bildet das Geschehen transparent und präzise ab.
Fazit: Gar nicht so einfach, eine Passions-CD bei Sommerhitze zu würdigen. Wer eine sinnlichere, gelegentlich sogar tänzerisch Karfreitags-Alternative zu den Passionen und den Sieben letzten Worten von Heinrich Schütz sucht: Hier ist sie. Anspieltipp: das ergreifende Sylvarum flete filiae (Track 22). Definitiv empfohlen.
Thomas Baack [07.10.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Pietro Antonio Cesti | ||
1 | Natura et quatuor elementa dolentia ad Sepulchrum Christi (Rappresentazione sacra al Santissimo Sepolcro) | 00:58:50 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Polyharmonique (Vokalensemble)
- Teatro del mondo (Ensemble)
- Andreas Küppers (Leitung)