Music for Flute & Strings
Johanna Dömötör • Stuttgarter Kammerorchester • Meesun Hong Coleman
Ars Produktion ARS 38 373
1 CD • 63min • 2022
02.06.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die junge Flötistin Johanna Dömötör, Soloflötistin beim Sinfonieorchester Basel und Professorin in Linz, hat sich für ihr CD-Debüt ein originelles Programm überlegt. Sie spielt als einziges Originalwerk das neoklassizistische Konzert von Malcolm Arnold und ergänzt dieses mit Bearbeitungen, die sie wiederum für die Besetzung Flöte, Violine und Streichorchester speziell hat einrichten lassen. Auf diese Weise kommen Igor Strawinsky, Domenico Scarlatti und Dmitri Schostakowitsch, die selbst nichts Substanzielles für das Instrument komponierten, zu posthumen flötistischen Ehren.
Kann man machen, ist jedoch nicht in jedem Fall zwingend
Die Reise durchs retrospektive 20. Jahrhundert startet mit Igor Strawinskys Pulcinella-Suite, die der Komponist selbst als Suite italienne für Violine oder Cello und Klavier einrichtete. Die Vorlage entstammt einer – aus Verkaufsgründen erfolgten – Fehlzuschreibung von Triosonaten Domenico Gallos an Giovanni Battista Pergolesi, was man ja auch von den Concerti grossi von Unico van Wassenaer kennt. Wählt man dieses Werk, setzt man sich natürlich der Konkurrenz berühmter Geiger wie Itzhak Perlman aus, was für Flötisten meist nicht gut endet.
Ähnlich wie die Klaviersonaten von Domenico Cimarosa für Oboe richtete Arthur Benjamin Sonaten von Domenico Scarlatti ein, indem er die rechte Hand an die Flöte anpasste und den Bass mit einer Continuo-Aussetzung versah. Das perlt munter dahin, ist aber weniger effektiv als die pianistische Äquilibristik oder auch das herrlich sentimentale Oboen Concertino.
Malcolm Arnolds von der Form her neoklassizistisches 1. Flötenkonzert op. 45 reiht sich in die Tradition der britischen Hindemith-Nachfolge ein und bietet – speziell im temperamentvollen Finale – einen schönen und dankbaren Ersatz für ein nie geschriebenes Konzert von Benjamin Britten. Somit eine lohnenswerte Entdeckung.
Durchaus Spaß macht die Bearbeitung einiger Stücke aus Ballettmusiken von Dmitri Schostakowitsch nach einer vom Komponisten autorisierten Fassung für 2 Violinen und Klavier.
Licht und Schatten
Johanna Dömötör stehen – was Finger und Zungentechnik angeht – alle flötistischen Mittel zur Verfügung. Leider verfügt sie noch nicht über die tonliche Variabilität großer Kollegen wie Emanuel Pahud. Deshalb wirkt ihr Zugriff arg silbrig und leichtgewichtig. Es fehlt mir in ihrem Spiel deutlich eine gewisse Sonorität und Körperhaftigkeit im Klang. Auch bestehen noch Defizite im zielgerichteten Timing von Phrasen, was ihrer Interpretation dort eine gewisse Nüchternheit verleiht, wo weniger absolute Präzision und mehr muskantischer Überschwang und Überredungskunst erforderlich wären. Gerade die Schostakowitsch-Stücke könnte man mit mehr Rubati wesentlich pfiffiger und witziger gestalten. Auch der Scarlatti perlt und blubbert vor sich hin, ohne dass sich große Musizierfreude auf den Hörer überträgt. Insgesamt erscheint die Aufnahme virtuos, gekonnt, aber nicht faszinierend.
Die Aufnahmetechnik geht in Ordnung. Für den exzellenten Booklet-Text, dem ich auch den Hinweis auf Domenico Gallo verdanke, gibt es eine Aufwertung des Gesamteindrucks.
Fazit: Die Aufnahme des Arnold-Konzerts kann als Anregung genommen werden. Die Bearbeitungen braucht es nicht wirklich.
Thomas Baack [02.06.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Igor Strawinsky | ||
1 | Suite italienne (arr.: Adrian Williams | Martin Braun) | 00:19:16 |
Arthur Benjamin | ||
8 | Suite für Flöte und Streicher (nach Domenico Scarlatti) | 00:22:39 |
Malcolm Arnold | ||
13 | Konzert Nr. 1 op. 45 für Flöte und Orchester | 00:11:48 |
Dimitri Schostakowitsch | ||
16 | 5 Stücke für Flöte, Violine und Streicher (arr.: Levon Atovmyan | Martin Braun) | 00:08:54 |
Interpreten der Einspielung
- Johanna Dömötör (Flöte)
- Stuttgarter Kammerorchester (Orchester)
- Meesun Hong Coleman (Violine, Dirigent)