Johann Sebastian Bach
Johannes-Passion BWV 245-1 – Erste Fassung 1724
Rondeau ROP405455
2 CD • 1h 46min • 2023
04.04.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Neuaufnahme der Johannespassion Bachs beim Label Rondeau Production greift auf die erste Fassung von 1724 zurück, die in der aktuellen Auflage des Bach-Werke-Verzeichnisses unter BWV 245.1 geführt wird. Thomaskantor Andreas Reize legt dabei großen Wert darauf, sich an der traditionellen Aufführungspraxis zu orientieren. Und dies liegt besonders nah, wenn man an den Ort der Einspielung, die Thomaskirche in Leipzig, und an den Einsatz des legendären Thomanerchores wie an die Mitwirkung der auf historischen Instrumenten spielenden Akademie für Alte Musik denkt.
Erstfassung nach 300 Jahren
Von den vier Fassungen des Werkes gleichen sich die erste und letzte zwar in der Satzfolge, doch bei genauem Hinhören entdeckt man, vor allem in den Rezitativen, Eigenheiten, die den besonderen Reiz der Neueinspielung ausmachen. Im Blick auf verschiedene Quellen aus der Barockzeit verzichtet Reize auf eine urtextgetreue Wiedergabe, um sich vielmehr der Sprachmelodie zuzuwenden und die Appoggiaturen möglichst im Stil der Bach-Epoche ausführen zu lassen. Ungewohnt ist die jeweilige kurze Einleitung der Rezitative durch Cembalo oder Orgel. Der großen Bach-Orgel der Thomaskirche, nach historischen Vorbildern im Jahr 2000 von Gerald Woehl erbaut, kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn sie darf sich neben der profunden Continuo-Begleitung auch durch kurze solistische Einlagen hervortun.
Die besondere Rolle des Thomanerchores
Der Thomanerchor, besetzt mit 25 jugendlichen Sängern, erfüllt die Chorpartien mit strahlendem Klang und klarer Diktion, auch wenn Andreas Reize, Thomaskantor seit Herbst 2021, die Tempi stellenweise kräftig anzieht. Eine Besonderheit besteht darin, dass auch die Sopran- und Altarien von Thomanern ausgeführt werden, die diese anspruchsvollen Aufgaben sicher und sauber lösen. Eindrucksvoll der erst elfjährige Leopold Görsch mit den Sopranarien. Wenn der 16 Jahre alte Thomaner Matteo De Bastiani in der Arie „Von den Stricken meiner Sünden“ durch die Oboen übertönt wird, dann ist dies der Aufnahmesituation zuzuschreiben. Insgesamt hervorzuheben sind neben der Biegsamkeit des Chorklangs feine dynamische Differenzierungen und Temposchwankungen, die vom Text inspiriert sind. Die Fermaten in den Chorälen werden nicht stereotyp eingehalten, sondern der inhaltlichen Bedeutung angepasst.
Vorzügliche Gesangssolisten
Die Partie des Evangelisten gestaltet der Tenor David Fischer mit vorbildlicher Balance von Textdeutung und Melodieführung. Robert Pohlers, der aus dem Thomanerchor hervorgegangen ist und derzeit im Ensemble amarcord mitwirkt, singt die Tenorarien mit leicht-beweglicher Stimme. Markant der Bariton Tobias Berndt, der auch die Basspartie des Pilatus übernimmt. Daniel Ochoa erfüllt die Jesus-Worte mit Nachdruck, ohne zu forcieren. Achtzehn Instrumentalisten der seit 1982 bestehenden Akademie für Alte Musik Berlin fügen sich mit charakteristischem Barockklang nahtlos in die Gesamtkonzeption ein.
Reich an Informationen in deutscher und englischer Sprache ist das umfangreiche Booklet. Man erfährt Genaues über die Erstfassung der Johannes-Passion, die nun nach 300 Jahren in einer CD-Ausgabe erscheint. Die Prinzipen der neuen Interpretation werden ausführlich dargestellt, der Einsatz der Großen Bach-Orgel als Continuo-Instrument wird vom Thomasorganisten Johannes Lang ausführlich begründet und kommentiert.
Prof. Klaus Trapp [04.04.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Johannes-Passion BWV 245 | 01:46:02 |
Interpreten der Einspielung
- Thomanerchor Leipzig (Chor)
- Akademie für Alte Musik Berlin (Orchester)
- Andreas Reize (Dirigent)