Libertad
The Will to Freedom
Ars Produktion ARS 38 338
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2023
14.04.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die argentinische Flötistin Maria Cecilia Muñoz und ihre kanadische Klavierpartnerin Tiffany Butt haben die durch die Corona-Pandemie verfügten Einschränkungen genutzt, um ein Konzeptalbum zum Thema „Freiheit und Gefangenschaft“ zu entwickeln. Diese Unfreiheit kann entweder aus sozialen oder politischen Zwängen bestehen, oder solchen, die eine bestimmte Spezies betreffen und wird hier an zu dressierenden Singvögeln und komponierenden Frauen exemplifiziert. Da absolut hinreißend musiziert wird, kommen jedoch auch – gern über Konzeptalben spottende – „alte weiße Männer“, zu denen der Rezensent sich ohne jegliche Scham rechnet, voll auf ihre Kosten.
Unbekannte Flötenromantik
Die Damen Muñoz und Butt beginnen mit drei Kompositionen der Französin Mel(anie) Bonis (1858-1937), die darum kämpfen musste, bei César Franck und Ernest Guirot am Conservatoire studieren zu dürfen. Stilistisch bewegen sie sich mit typisch französischer Clarté an der Grenze zwischen Spätromantik und modal gefärbten Impressionismus. Dass es weitere Kompositionen für Flöte von Frau Boni gibt, sei hier ausdrücklich vermerkt, da substanzielles Repertoire aus dieser Zeit ja durchaus Mangelware ist.
Als Weltpremiere wurde The Bird Fancyer‘s New Delight von David Braid (Jg. 1975) eingespielt, das im Auftrag der beiden Interpretinnen entstand. Es bezieht sich auf eine Sammlung von Stücken, die John Walsh um 1715 für die Abrichtung von Singvögeln per Flageolett oder Blockflöte veröffentlichte, und versieht diese mit einem teils nachdenklichen, teils amüsierten Klavierkommentar im Stile der Volksliedbearbeitungen Benjamin Brittens.
Als weitere Originalkomposition wurde das „Allegro rustico“ von Sofia Gubaidulina (Jg.1931) aufgenommen, das im Kern tonal ist, aber in der Art Sergej Prokofjews sein mittelasiatisch beeinflusstes Themenmaterial durch blitzschnelle Modulationen jagt und mit ein paar bruitistischen Klaviereffekten aufwartet.
Stehlen erlaubt!
Wegen des Mangels an romantischer Natur „mopsen“ sich Flötisten gern Werke, die eigentlich für Violine geschrieben wurden. Das funktioniert mal ausgezeichnet (César Franck), mal weniger gut (Brahms). Unzulässig ist es nicht, da die Romantiker selbst gern Alternativen angaben, um die Verbreitung ihrer Werke zu fördern. So sind Viola und Klarinette häufig austauschbar (Brahms, Reger) oder es werden gleich drei Alternativen (Oboe, Klarinette, Violine) wie bei den Schumann-Romanzen angeben.
Auf diese Weise gewinnen Muñoz und Butt der Flöte gleich zwei neue Werke: die Drei Romanzen op. 22 von Clara Schumann und die hochdramatisch-spannungsgeladene Sonate a-Moll op. 39 der Amerikanerin Amy Beach (1867-1934). Diese Übertragungen, bei denen nur Oktavversetzungen bei Umfangsunterschreitungen vorgenommen werden und Akkordgriffe durch blitzschnelle Arpeggien ersetz werden mussten, funktionieren hervorragend.
Am eindrucksvollsten gelingt den Beiden Tiffany Butts sensible Bearbeitung des Liedes Ich wandre durch Theresienstadt der von den Nationalsozialisten umgebrachten Jüdin Ilse Weber, deren ergreifende Schlichtheit wahrhaftig zu Tränen rührt.
Vollkommen überzeugende Interpretation
Maria Cecilia Muñoz und Tiffany Butt werden allen Facetten der von ihnen ausgewählten Werke vollauf gerecht. Schöner und farblich subtiler kann Flötenspiel kaum klingen und wer solche flinken Staccati wie in der dritten Schumann Romanze wie selbstverständlich hintupfen kann, dabei selbst nie „zu laut“ ist, ist eine Meisterpianistin.
Klanglich geriet alles vorzüglich, man meint die beiden Damen live im Raum stehen zu sehen. Das Booklet – eine Gemeinschaftsarbeit der beiden Interpretinnen – ist so lesenswert, dass es bei einer schlechteren musikalischen Darbietung zur Aufwertung des Gesamteindrucks führen würde. Fazit: Wundervolle SACD, klare Empfehlung. Für Flötisten Pflichtkauf!
Thomas Baack [14.04.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Mélanie Bonis | ||
1 | Pièce op. 189 für Flöte und Klavier | 00:04:37 |
2 | Une flûte soupire op. 121 für Flöte und Klavier | 00:01:57 |
3 | Scherzo-Final op. posth. 187 für Flöte und Klavier | 00:04:06 |
David Braid | ||
4 | The Bird Fancyer's New Delight | 00:07:22 |
Clara Schumann | ||
9 | Romanze Des-Dur op. 22 Nr. 1 für Violine und Klavier – Andante molto | 00:03:19 |
10 | Romanze g-Moll op. 22 Nr. 2 für Violine und Klavier – Allegretto, mit zartem Vortrge | 00:03:02 |
11 | Romanze B-Dur op. 22 Nr. 3 für Violine und Klavier – Leidenschaftlich schnell | 00:03:35 |
Sofia Gubaidulina | ||
12 | Allegro Rustico | 00:05:15 |
Amy Beach | ||
13 | Sonate a-Moll op. 34 für Violine und Klavier | 00:32:08 |
Ilse Weber | ||
17 | Ich wandre durch Theresienstadt | 00:03:53 |
Interpreten der Einspielung
- Maria Cecilia Muñoz (Flöte)
- Tiffany Butt (Klavier)