Scenes of Horror
Baroque Arias from the Shadows
Perfect Noise PN 2306
1 CD • 57min • 2022
09.03.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Mezzosopranistin Laila Salome Fischer begibt sich mit dem Ensemble Il Giratempo auf einen Trip durch barocke Horrorwelten. Als Cicerone dient ihr dabei Max Volbers, der das Ganze vom Claviorganum (Kombination von Cembalo mit Orgelpositiv) aus leitet und sich mit La Notte als Blockflötist in Vivaldis nächtlicher Albtraumkammer des Schreckens aussetzt. Ein durchaus abwechslungsreiches Programm, das temperamentvoll dargeboten wird, häufig aber allzu sehr auf puren Effekt angelegt ist
Antike Helden, Kreuzritter, Schotten und Inkas im Banne des Schreckens
Das Arienprogramm mit Instrumentaleinlagen hat sich mittlerweile als fester Repertoirebestandteil etabliert, besonders dann, wenn es sich auch als Konzertprogramm nutzen lässt. Nun, wenn heute hauptsächlich gestreamt wird, hat eine solche Produktion für den Verkauf in der Konzertpause durchaus ihre Berechtigung, wenngleich die Klammer des nächtlichen Schreckens nur einen oberflächlichen Bezug bietet.
Laila Salome Fischer fordert in ihrem Recital ihre großen Fachkolleginnen von Laurice Elms (Montezuma) über Janet Baker bis hin zu Angelika Kirchschlager und Joyce DiDonato (Händel) heraus, die alle über eine souveränere Verblendung der Register, ein einheitlicheres Timbre und bis auf DiDonato über eine wesentlich sauberere Koloraturtechnik verfügen. Vor allem aber brauchen Ruggiero, Ariodante, Montezuma, Storgé und Dejanira das wesentlich größere Volumen – besonders in der Tiefe – eines dramatischen Mezzos. Das ist mit einem Instrument, das sich von der Entwicklung her noch in der Cherubino- und Rosina-Klasse befindet, nicht zu leisten und führt dann zu verspannter Tongebung. Ich habe mir daraufhin nochmal ein paar Aufnahmen speziell von Scherza infida und den titelgebenden Scenes of horror angehört.
Janet Baker bindet die Ariodante-Triolen vorbildlich, bleibt in ihrer Grundfarbe, artikuliert und färbt nur Schlüsselwörter gelegentlich besonders ein. Durch diese Konzentration entsteht dann ein unglaublicher Sog. Dass sie blitzsaubere Koloraturen beherrscht, beweist sie in den Sechzehntelketten der Dejanira. Die wirklich brutalen, fast mörderischen Sprünge in den „Scenes“ – man könnte hier von einem Vorläufer der Senta-Ballade reden – nehmen die mit nicht allzu großem Volumen Gesegneten bewusst dicht und in der Höhe eher zurück, um die Registerverbindung zu wahren. Joyce DiDonato kann sich in der Höhe etwas mehr erlauben, gestattet sich eine Trennung der Register jedoch nicht. Leider hat Marilyn Horne die Arie nicht eingespielt. Da hätte man dann wohl ein völlig geöffnetes Brustregister in der Tiefe mit Abschlankung ab dis‘ und hochdramatischer Höhe erleben können. Abgesehen davon nehmen alle das Tempo eine Spur ruhiger. Hier wirkt es gehetzt, was zwar zum Stück passt, aber nur bedingt ins barocke Oratorium gehört. Die Puritaner wären darob wohl empört ausgerastet.
Grelle Effekte
Max Volbers sorgt für flotte, immer fließende Tempi, die manchmal (Storgé, Dejanira) überhetzt wirken. Die sul-ponticello-Rumsereien des Violone garniert mit Theorben-„Twäng“ mögen im Vivaldi (L’Olimpiade) ja für Farbe sorgen und im Konzertsaal begeistern, nutzen sich aber auf CD außerordentlich schnell ab. Besonders dann, wenn sie dann auch noch im Montezuma-Accompagnato wiederkehren. Dasselbe gilt für die blockflötistischen Klangeffekte in La Notte bei denen die arg unsaubere Intonation vom Saal geschluckt wird. Nach der wirklich gelungenen Debüt-CD ein Rückfall in Stegerismen.
Der Booklet-Text ist informativ und kann sich sehen lassen. Keine Einwände gegen die Aufnahmetechnik
Fazit: Als Konzertprogramm sicherlich spannend, zum wiederholten Hören auf CD weniger.
Thomas Baack [09.03.2024]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Friedrich Händel | ||
1 | Scenes of Horror, Scenes of Woe | 00:04:10 |
Antonio Vivaldi | ||
2 | Sinfonia C-Dur (aus: L' Olimpiade RV 725) | 00:05:30 |
Georg Friedrich Händel | ||
5 | Scherza infida in grembo al drudo (Arie des Ariodante - aus: Ariodante) | 00:08:58 |
Carl Heinrich Graun | ||
6 | Qual orribil destino (Recitativo Montezuma - aus: Montezuma GraunWV B:I:29) | 00:04:59 |
7 | Ah, d'inflessibil sorte (Aria Montezuma - aus: Montezuma GraunWV B:I:29) | 00:02:13 |
8 | Ma qual rumore (Recitativo Montezuma - aus: Montezuma GraunWV B:I:29) | 00:00:47 |
9 | Sì, corona, i tuoi trofei (Aria Montezuma - aus: Montezuma GraunWV B:I:29) | 00:03:02 |
Antonio Vivaldi | ||
10 | Flötenkonzert Nr. 13 g-Moll op. 10 Nr. 2 RV 439 (La Notte) | 00:08:32 |
Attilio Ariosti | ||
15 | Questi ceppi, e quest'orrore (Fernando - aus: La fede ne' tradimenti) | 00:05:56 |
Georg Friedrich Händel | ||
16 | Sta nell'Ircana (Aria: Ruggiero - aus: Alcina) | 00:05:55 |
17 | Where shall I fly (Recitativo accompagnaot, Dejanira - aus: Hercules HWV 60) | 00:06:48 |
Interpreten der Einspielung
- Laila Salome Fischer (Mezzosopran)
- Il Giratempo (Ensemble)
- Max Volbers (Dirigent)