Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

J.S. Bach

Sonatas for Viola da Gamba and Harpsichord

TYXart TXA23181

1 CD • 44min • 2022

01.11.2023

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Als J. S. Bach sich anfangs der 1740er Jahre anschickte, seine drei Sonaten für Gambe und Cembalo zu schreiben, verwendete er, wie so oft, Material aus früher entstandenen Kompositionen, ging also ans „Eingemachte“ seines Schaffens und schuf daraus Neues. Die Gambe hatte damals ihre hohe Zeit als Soloinstrument schon hinter sich, ihre Blütezeit war eigentlich im 17. Jahrhundert gewesen; bei Bach hatte sie als Soloinstrument in der Kammermusik bisher keine Verwendung gefunden. Allerdings wusste er sehr wohl um ihr ausdrucksvolles Timbre: Man denke nur an den ergreifenden Dialog zwischen Alt und Gambe in der Arie „Es ist vollbracht“ in der Johannespassion.

Trios

Passend zum ehrwürdigen Alter des Streichinstruments griff Bach heutigem Forschungsstand zufolge als kompositorische Modelle für seine Gambensonaten auf Triosonaten zurück, die während seiner Köthener Jahre (1717-1723) entstanden waren; ähnlich wie die Gambe hatte auch die Triosonate als Kompositionsform besonders im 17. Jahrhundert in Blüte gestanden. Angesichts der Lebendigkeit dieser Sonaten drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass der „alte Bach“ sich gegenüber dem musikalischen Aufbruch der Generation seiner Söhne und ihren vielfältigen stilistischen Erneuerungen durchaus nicht „aus dem Rennen“ fühlte und dies den jungen Leuten zeigen wollte. Auch die Gambe, die „alte Dame“ im Chor der Streichinstrumente und mittlerweile ziemlich aus der Mode geraten, darf nicht in Erinnerungen an ihre besten Jahre schwelgen; Bach schickt die Lady auf eine abenteuerliche Reise: Sie wird gleichsam vom Cembalo umarmt, indem ihr die mittlere Stimme zufällt, Oberstimme und Bass spielt das Cembalo, so werden die beiden Instrumente auf innigste Weise miteinander vereint.

Interpretationen aus zwei Generationen

Zwischen den beiden hier in den Vergleich gesetzten Aufnahmen liegt mit 36 Jahren die Spanne einer Generation; ebenso könnten die Interpreten der hier zu besprechenden Aufnahme vom Lebensalter her beinahe Kinder der Musiker der früheren Einspielung sein: Thomas Goetschel wurde 1968, Yvonne Ritter 1983 geboren, Laurence Dreyfus ist Jahrgang 1952, der Cembalist Ketil Haugsand wurde 1947 geboren.

Viel hat sich in der historisch informierten Aufführungspraxis zwischen 1985 und 1922, den Einspielungsjahren der beiden Aufnahmen, gewandelt – leider nicht immer zum besseren, so die Überzeugung des Rezensenten: Das Streben nach dem, was die Interpreten als musikalische Perfektion postulieren, drängt heute gar zu oft die Suche nach angemessener inhaltlicher Gestaltung und erfülltem musikalischen Ausdruck in den Hintergrund.

Spannender Vergleich

Laurence Dreyfus, der 1985 die Urtext-Ausgabe der Gambensonaten bei der Edition Peters als Herausgeber betreute, und der norwegische Cembalist Ketil Haugsand gehen frisch zu Werke und musizieren elegant – als zweite Generation der Bewegung des Spiels auf „Originalinstrumenten“, wie die historisch informierten Aufführungspraxis zunächst hieß, sind sie mit Lust und Lebendigkeit bei der Sache. 1985, zur Zeit ihrer Einspielung, hatte die historisch informierte Aufführungspraxis gerade die schlimmsten Anfeindungen aus den Reihen der in den Traditionen moderner Instrumente stehenden Musikwelt überwunden und umfassende Aufmerksamkeit errungen – nicht zuletzt durch das Wirken von Musikern wie Gustav Leonhardt, Frans Brüggen, den Brüdern Kuijken und manchen anderen. So ist die positive Haltung eines musikalischen Aufbruchs für die Version von Dreyfus und Haugsand absolut verständlich, zumal sie ja nach Dreyfus’ eigener, frisch veröffentlichter Edition spielen.

Die Einspielung von Thomas Goetschel und Yvonne Ritter spiegelt eine gänzlich andere Situation wider als jene von Dreyfus und Haugsand. 2022, im Jahr der Aufnahme ihrer Einspielung, war die historisch informierte Aufführungspraxis für beide Künstler bereits Teil ihres musikalischen Lebenshorizonts: So ist ihre Aufnahme von einer Atmosphäre der Nachdenklichkeit und des Innehaltens geprägt, die Bachs Gambensonaten allerdings genau so viel Gerechtigkeit widerfahren lässt wie die von frohem Aufbruch erfüllte Version von Laurence Dreyfus und Ketil Haugsand. Das Fazit des Rezensenten lautet, dass man beide Einspielungen besitzen muss, um das gesamte Spektrum dieser Spätwerke aus dem kammermusikalischen Schaffen Johann Sebastian Bachs recht würdigen zu können.

Von der Klangqualität ist die neue Aufnahme der Einspielung des norwegischen Labels Simax geringfügig unterlegen, was Klarheit und räumliche Präsenz angeht.

Vergleichseinspielung: Laurence Dreyfus (Gambe), Ketil Haugsand (Cembalo), CD: Simax PSC 1024 (AD: 1985)

Detmar Huchting [01.11.2023]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Sonate Nr. 1 G-Dur BWV 1027 für Viola da gamba und Cembalo 00:13:54
5Sonate Nr. 3 g-Moll BWV 1029 für Viola da gamba und Cembalo 00:14:27
8Sonate Nr. 2 D-Dur BWV 1028 für Viola da gamba und Cembalo 00:15:46

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

01.11.2023
»zur Besprechung«

J.S. Bach, Sonatas for Viola da Gamba and Harpsichord
J.S. Bach, Sonatas for Viola da Gamba and Harpsichord

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige