Franck & Martin
Piano Quintets
CAvi-music 8553527
1 CD • 58min • 2022
20.06.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Armida-Quartett gönnt sich in seiner neuesten Aufnahme eine Auszeit von seinen hervorragenden Mozart-Interpretationen und gestaltet diese mit zwei spätromantischen Klavierquintetten. Dabei sorgt das Werk von Frank Martin für eine Überraschung. So lyrisch-impressionistische Töne hat man vom Meister späterer großer, herber Vokalwerke wie Golgotha und In Terra Pax eher nicht erwartet. Aber das Drama nimmt dann mit dem tristanisch-passionierten Quintett von César Franck doch seinen Lauf.
Martins weicher Kern
Das d-Moll-Quintett von Frank Martin ist ein Jugendwerk. Es entstand 1919 und kombiniert – mehr im Charakter der barocken Sonata da chiesa als im Sinne klassischer Viersätzigkeit – zwei lyrische Sätze mit jeweils einem Tanzsatz. Das einleitende Andante con moto nimmt die Farbigkeit der impressionistischen Modelle eines Maurice Ravel zum Vorbild, ist jedoch kontrapunktisch stärker durchstrukturiert. Hier lohnt es sich bei mehrfachem Hören einmal die einzelnen filigranen Linien genau zu verfolgen. Das Menuett ist eher ein Ländler, Brahms und der Max Reger der Walzer-Capricen blicken freundlich herüber. Das Adagio „barockisiert“ in Reger-Nähe, ist aber melodisch weitaus ergiebiger. Das Presto-Finale wurde pikant böhmisch-balkanisch abgeschmeckt.
Ein instrumentaler Tristan? Mme. Franck hasste ihn
César Francks großes Quintett in f-Moll ist von einer düster-leidenschaftlichen Raserei, die man dem grundgütigen „Père Franck“ nicht zugetraut hätte. Seine Frau hasste das Werk von Anfang an, weil sie als dessen Auslöser eine Affäre des Gatten mit seiner Kompositionsschülerin Augusta Holmès vermutete. Camille Saint-Saëns verursachte als Widmungsträger und Pianist der Uraufführung einen Skandal, indem er nach dem Schlussakkord aufstand und das Podium verließ, ohne sein Widmungsexemplar mitzunehmen. Es wird allgemein angenommen, dass ihm die durch andauernde Modulationen in die entferntesten Tonarten mangelnde harmonische Stabilität missfiel. Möglicherweise war er aber auch nach dem Entziffern des durch seine Weitgriffigkeit und seine teilweise 9-stimmigen Akkorde mit Dezimenspannung extrem anspruchsvollen und anstrengenden Klavierparts, bei dem fast jeder Akkord mit zusätzlichen Vorzeichen versehen ist, sodass man glaubt, ein Werk der Mitte des 20. Jahrhunderts vor sich zu haben, einfach zu erschöpft, um womöglich das Finale noch einmal als Zugabe zu spielen.
Fast perfekte Interpretation
Das Armida-Quartett gestaltet seinen höchst anspruchsvollen Part virtuos, kantabel, farbig und vor allem intonationssicher. Gerade Letzteres ist aufgrund der exzessiven chromatischen und enharmonischen Modulationen auf kürzestem Raum im Franck-Quintett außerordentlich schwierig, wie man in der deutlich getrübten Aufnahme Swjatoslaw Richters mit dem Borodin-Quartett hören kann. Sehr subtil gelingt das filigrane Zusammenspiel mit den Klangfarben des Klaviers bei Frank Martin. Martin Klett meistert den brachialen Klavierpart bei Franck, der definitiv anspruchsvoller als der Solo-Part der Rachmaninoff-Konzerte ist, höchst achtbar, brillant, jedoch eine Spur zu perkussiv. Pianistisch hat in diesem Fall Marc-André Hamelin im Live-Mitschnitt aus Verbier klar die Nase vorn.
Die Aufnahme ist – besonders in der HiRes-Version – höchst erfreulich. Zum Booklet-Text wäre anzumerken, dass das Franck-Quintett nicht das erste französische Klavierquintett des 19. Jahrhunderts ist. Dieser Ruhm kommt den drei Quintetten von Georges Onslow zu, die als Anregung für Robert Schumann gelten dürfen.
Fazit: Die Einspielung lohnt vor allem wegen der hinreißend-kongenialen Wiedergabe des Quintetts von Frank Martin. Wer eine Referenz für das César-Franck-Quintett sucht, kann zum Live-Mitschnitt aus Verbier greifen oder auf das erweiterte Trio Wanderer warten, dessen Aufnahme kurz vor der Veröffentlichung steht und in die man per Streaming bereits jetzt hineinhören kann.
Vergleichsaufnahmen: S. Richter, Borodin Quartett (Philips), M.-A. Hamelin et al. (Verbier live) DG, Trio Wanderer et al. (harmonia mundi France).
Thomas Baack [20.06.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Frank Martin | ||
1 | Quintett d-Moll op. 4 für 2 Violinen, Viola, Violoncello und Klavier | 00:23:36 |
César Franck | ||
5 | Quintett f-Moll op. 14 FWV 7 für Klavier, 2 Violinen, Viola und Violoncello | 00:34:19 |
Interpreten der Einspielung
- Martin Klett (Klavier)
- Armida Quartett (Streichquartett)