Richard Strauss
Letzte Lieder
Rondeau ROP6241
1 CD • 58min • 2020, 2022
03.06.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Man muss ja nicht unbedingt Lieder, die Richard Strauss bewusst als Klavier-Lieder komponiert hat, für Chor umschreiben, nur weil Strauss für Chor weniger geschrieben hat. Wenn man’s aber macht, dann sollte man es so tun, wie es hier Clytus Gottwald und vor allem Franz Zimnol getan haben. Dann braucht man jedoch für diesen prunkenden Klang einen phänomenalen und intelligent gestaltenden Chor, wie ihn der KammerChor Saarbrücken darstellt, sowie einen souverän lenkenden und leitenden Dirigenten, wie Georg Grün einer ist.
Gefühle des Hymnischen und des Weltschmerzes
Von Franz Zimnol stammen die ersten fünf Lieder dieser CD mit den berühmten Vier letzten Liedern op. 150. Zimnol beherzigt das, was Ernst Krause in seiner Strauss-Monografie (1963) über Strauss‘ Liedschaffen schreibt: „Tatsächlich geht es darum, die Wirklichkeit durch Gefühle des Hymnischen und des Weltschmerzes ins Idealistische zu steigern.“ Und weiter: „Die Melodielinie liegt nur in einigen Jugenderzeugnissen wirklich frei. Der melodische Fluss seiner Lyrik zeigt die größte Mannigfaltigkeit in der Verteilung auf Singstimme und begleitendes Instrument.“ Und so verteilt Zimnol die Singstimme und Orchesterstimmen auf gleich 16 Chorstimmen – plus eine begleitende Violine. Der KammerChor Saarbrücken singt das Gewebe und Gewoge dieser Stimmen mitempfindend, dynamisch fein an- und abschwellend, klangsatt auch im Piano und überhaupt berückend schön. Die Vokalisen, die Zimnol vorschreibt, wirken zunächst befremdlich, dann aber durchaus klangapart, weil sorgsam gehandhabt respektive „gestimmhabt“. Sattwarme Bässe, klare vibratoarme Frauenstimmen und unauffällig tonschöne Tenöre runden den Chorklang. Die Sänger baden sich geradezu in den Wonnen der Sept- und Nonakkorden, die „in freien Flügen schweben“, wie’s im Text von Hermann Hesse heißt. Und sie wissen, was sie singen: „Ist dies etwa der Tod?“ kommt wirklich als ungläubige und angstvoll staunende Frage. Wunderbar variabel ist der Klang der Geige eingebettet, mal gezupft, mal tontropfend, mal melodiös gestrichen und am Ende sacht zweistimmig trillernd wie die zwei Lerchen. Helmut Winkel macht das famos und sehr klangsinnlich.
Zügiges Tempo auch in „brünstiger Nacht“
Die Lieder, die Clytus Gottwald umgeschrieben hat, sind vier- bis achtstimmig gehalten. Auch sie huldigen dem Stimmengewoge und dem satten Klang. „Ich wollt’ein Sträußlein binden“ (Track 7) wirkt hier sogar passender mit Chor denn als Lied. Hier beweist sich auch das Tempogespür des Dirigenten Georg Grün, dieser Chor hat mehr „Zug“ als das Sololied, so wie Grün immer auf zügiges Tempo setzt, niemals „steht“ die Musik und vermeidet so die bei Strauss manchmal drohende Gefahr des Schwülstig-Sentimentalen. Bei In die Nacht (Track 6) überraschen kleine verzückte Sopran-Schreie – durchaus passend zur besungenen „brünstige(n) Nacht“. Ich trage meine Minne (Track 12) kommt geradezu unpathetisch-parlierend daher und gewinnt dadurch. In Ich schwebe (Track 16) schwebt auch der Rhythmus.
Durchweg sind von den Sängern die septimsatten Akkorde genau ausgehorcht, deren zehrender und sich nach Auflösung sehnender Charakter wird zum Leuchten und Schimmern gebracht. Der Chorklang ist schön abgerundet und ausgewogen eingefangen, sehr transparent, so dass man einzelne Chorstimmen im Gesamtklang verfolgen kann. Nur muss man den Lautstärkeregler ziemlich weit aufdrehen, um die Klangpracht sich entfalten zu lassen.
Rainer W. Janka [03.06.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Richard Strauss | ||
1 | Morgen! op. 27 Nr. 4 | 00:03:36 |
2 | Frühling op. 150 Nr. 1 (aus: Vier letzte Lieder) | 00:03:55 |
3 | September op. 150 Nr. 2 (aus: Vier letzte Lieder) | 00:04:47 |
4 | Beim Schlafengehen op. 150 Nr. 3 (aus: Vier letzte Lieder) | 00:05:26 |
5 | Im Abendrot op. 150 Nr. 4 (aus: Vier letzte Lieder) | 00:07:52 |
6 | An die Nacht op. 68 Nr. 1 | 00:04:21 |
7 | Ich wollt ein Sträußlein binden op. 68 Nr. 2 | 00:03:24 |
8 | Die Nacht op. 10 Nr. 3 | 00:02:03 |
9 | Die Zeitlose op. 10 Nr. 7 | 00:01:40 |
10 | Allerseelen op. 10 Nr. 8 | 00:03:04 |
11 | Nachtgang op. 29 Nr. 3 | 00:03:22 |
12 | Ich trage meine Minne op. 32 Nr. 1 | 00:02:01 |
13 | Madrigal op. 15 Nr. 1 | 00:03:20 |
14 | Heimkehr op. 15 Nr. 5 | 00:02:28 |
15 | Wie sollten wir geheim sie halten op. 19 Nr. 4 | 00:02:26 |
16 | Ich schwebe op. 48 Nr. 2 | 00:01:54 |
17 | Winterweihe op. 48 Nr. 4 | 00:02:45 |
Interpreten der Einspielung
- Kammerchor Saarbrücken (Chor)
- Helmut Winkel (Violine)
- Georg Grün (Dirigent)