Max Reger
12 Lieder op. 51 • 17 Gesänge op. 70
Dreyer Gaido 21142
1 CD • 63min • 2022, 2009
19.03.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Über 300 Lieder hat Max Reger geschrieben, mehr als seine Zeitgenossen Richard Strauss und Hans Pfitzner, doch im Konzertalltag begegnet man ihnen äußerst selten und auch ihre diskographische Verbreitung ist sehr überschaubar. In der berühmten Raucheisen-Edition aus den 40er Jahren finden sich etliche Titel mit Sängern wie Lorenz Fehenberger oder Elisabeth Schwarzkopf, in neuerer Zeit haben die Mezzosopranistinnen Frauke May (Arte nova) und Iris Vermillion (cpo) reine Reger-Programme herausgebracht, aber das ist auch schon wieder mehr als 20 Jahre her. Der 150. Geburtstag des Komponisten am 19. März ist ein guter Anlass, an ihn als einen bedeutenden Liedschöpfer zu erinnern. In dem Tenor Markus Schäfer und seinem langjährigen Begleiter Ernst Breidenbach hat das vorliegende Album, das Rundfunkaufnahmen des BR und des Deutschlandfunks verbindet, berufene und sehr engagierte Interpreten gefunden.
Im Schaffensrausch
Reger war nicht nur ein schwerer Alkoholiker, was zu seinem frühen Tod mit 43 Jahren führte, er war auch das, was man heute einen „workaholic“ nennt, ein besessener und getriebener Arbeiter auf dem Felde der Kunst. Bedenkt man, dass sein stattliches Lied-Œuvre in einem Zeitraum von nur 14 Jahren (1893-1907) entstanden ist, muss man die Originalität jedes einzelnen Stückes doppelt bewundern. Jedenfalls habe ich in den hier veröffentlichten Zyklen op. 51 und op. 70 nirgends Spuren von Routine oder einen Mangel an Inspiration erkennen können. Reger war von der Qualität der vertonten Gedichte voll überzeugt („die wundervollsten, alle Gebiete des menschlichen Empfindens berührenden Texte“) und behandelte sie musikalisch wie literarische Meisterwerke, was sie überwiegend nicht sind. Neben den damals häufig vertonten Autoren Richard Dehmel, Otto Julius Bierbaum und Christian Morgenstern finden wir No-Names wie C. Dorr-Ljubljaschtschi, F. Gensichen oder K. Fick. Eine wichtige Bezugsquelle Regers war die Halbmonatszeitschrift Die Gesellschaft, die von 1885-1902 erschien.
Wechselbäder der Gefühle
In seinen Anfängen noch melodisch orientiert, findet Reger in op. 50 (1900) einen neuen und eigenen Stil, der die Errungenschaften Hugo Wolfs (dem der Zyklus gewidmet ist) weiterzuführen trachtet und auch vor harmonischen Exzentrizitäten nicht zurückscheut. Anstelle der Kantilene tritt ein deklamatorischer Duktus, der sich häufig an den Texten chromatisch hinaufschraubt und von einem stets etwas aufgeregten Klavier zusätzlich angetrieben wird. Der Radius der Empfindungen ist in beiden Zyklen sehr weit: Stimmungen der Tages- und Jahreszeiten, Träumereien, Liebesleid und -lust, Elternglück, Haupt- und Staatsaktionen. In op. 70 finden sich dann auch heiter-entspannte, humoristische Töne (Die bunten Kühe, Die Verschmähte, Des Durstes Erklärung). Die Lieder rufen ständige Wechselbäder der Gefühle hervor, die sich auch in starken dynamischen Kontrasten ausdrücken; nicht nur das Klavier, auch die Gesangsstimme pendelt ständig zwischen pp und fff, zwischen „molto espressivo“ und „dolcissimo“. So viele genaue Vortragsbezeichnungen wie bei Reger findet man bei anderen Komponisten kaum. Dass diese Lieder so relativ selten gesungen werden, hängt auch mit dem Schwierigkeitsgrad der Ausführung zusammen. Andererseits sind sie zu wenig eingängig, um populär werden zu können. Man muss sie mehrmals hören, um ihre Qualität und ihren besonderen Reiz zu erkennen.
Überzeugende Interpretationen
Schäfer und Breidenbach laden zu einer solchen näheren Betrachtung ein, denn sie sind bekennende Reger-Enthusiasten und nehmen den Hörer auf eine Entdeckungsreise mit, die immer neue Schönheiten der Kompositionen offenbart. Dabei ist ihre Interpretation, die sich förmlich in die Musik hineingräbt, notengenau bis in die kleinsten Einzelheiten auch der dynamischen Vorschriften, überzeugend in der emotionalen Dringlichkeit und dabei überall technisch souverän. Zwischen den Aufnahmen in Köln (op. 51, 2022) und München (op. 70, 2009), die hier kombiniert sind, liegen zwar 13 Jahre, aber am gestalterischen Ansatz der Künstler ändert das eben so wenig wie an der Frische der Tenorstimme.
Ekkehard Pluta [19.03.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Max Reger | ||
1 | Der Mond glüht über'm Garten op. 51 Nr. 1 | 00:02:17 |
2 | Mägdleins Frage op. 51 Nr. 2 | 00:01:43 |
3 | Träume, träume, du mein süßes Leben op. 51 Nr. 3 | 00:02:36 |
4 | Geheimnis op. 51 Nr. 4 | 00:02:00 |
5 | Mädchenlied op. 51 Nr. 5 | 00:01:46 |
6 | Schmied Schmerz op. 51 Nr. 6 | 00:01:21 |
7 | Nachtgesang op. 51 Nr. 7 | 00:03:07 |
8 | Gleich einer versunkenen Melodie op. 51 Nr. 8 | 00:01:58 |
9 | Frühlingsregen op. 51 Nr. 9 | 00:03:23 |
10 | Verlorne Liebe op. 51 Nr. 10 | 00:02:09 |
11 | Frühlingsmorgen op. 51 Nr. 11 | 00:02:15 |
12 | Weiße Tauben op. 51 Nr. 12 | 00:01:39 |
13 | Präludium op. 70 Nr. 1 | 00:02:49 |
14 | Der König bei der Krönung op. 70 Nr. 2 | 00:02:04 |
15 | Ritter rät dem Knappen dies op. 70 Nr. 3 | 00:02:47 |
16 | Die bunten Kühe op. 70 Nr. 4 | 00:02:00 |
17 | Gruß op. 70 Nr. 5 | 00:03:07 |
18 | Elternstolz op. 70 Nr. 6 | 00:01:46 |
19 | Meine Seele op. 70 Nr. 7 | 00:02:33 |
20 | Die Verschmähte op. 70 Nr. 8 | 00:02:23 |
21 | Sehnsucht op. 70 Nr. 9 | 00:01:12 |
22 | Hoffnungstrost op. 70 Nr. 10 | 00:01:06 |
23 | Gegen Abend op. 70 Nr. 11 | 00:02:44 |
24 | Dein Bild op. 70 Nr. 12 | 00:02:21 |
25 | Mein und Dein op. 70 Nr. 13 | 00:01:46 |
26 | Der Bote op. 70 Nr. 14 | 00:02:11 |
27 | Thränen op. 70 Nr. 15 | 00:02:16 |
28 | Des Durstes Erklärung op. 70 Nr. 16 | 00:01:41 |
29 | Sommernacht op. 70 Nr. 17 | 00:01:48 |
Interpreten der Einspielung
- Markus Schäfer (Tenor)
- Ernst Breidenbach (Klavier)