Emilie Mayer
Symphonies 3 & 7
cpo 555 511-2
1 CD • 64min • 2022
19.12.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Zählung der – vermutlich – acht Gattungsbeiträge der erfolgreichsten Symphonikerin des 19. Jahrhunderts, Emilie Mayer (1812-1883), bedarf einer Erläuterung. Denn obwohl Mayer als ledige, vermögende Erbin unabhängig als Komponistin arbeiten konnte – damals quasi ein Alleinstellungsmerkmal – und ihre Musik zu Lebzeiten durchaus geschätzt wurde, blieb auch ihr Werk zum Teil ungedruckt. Bei den Symphonien wurde so die Instrumentation der vierten (h-Moll) aus dem lediglich erhaltenen Klavierauszug erst kürzlich rekonstruiert. Die Fünfte in D-Dur gilt als verloren, die Existenz einer 8. Symphonie (in F-Dur?) als ungesichert. Bis Anfang 2022 fehlte von den erhaltenen Stücken noch eine Einspielung der 3. Symphonie C-Dur, was aber in diesem Jahr gleich dreimal nachgeholt wurde. Von der hier ebenfalls zu besprechenden 7. Symphonie f-Moll gibt es bereits einen Live-Mitschnitt von 2001, der allerdings fälschlich als „Nr. 5“ auf CD veröffentlicht wurde.
Klassizistische „Militär“-Sinfonie
Insbesondere gegenüber der formal etwas gewagteren 2. Symphonie erweist sich Emilie Mayers Dritte mit dem Beinamen „Sinfonie Militair“ – mit Piccoloflöte, Triangel, Becken und Großer Trommel im Finale – als äußerst klassizistisch, mit ganz strenger Periodik: eine Hommage sowohl an Haydns 100. Symphonie als auch Mayers Lehrer Wieprecht, der die preußische Militärmusik reformierte. Dennoch leistet sich die Komponistin etliche Feinheiten und Überraschungen: Insgesamt klingt der Kopfsatz eher nach Spohr und Beethoven. Der entzückende zweite orientiert sich hingegen klar an Mozart; das Scherzo jedoch ist bereits auf dem Stand von Mendelssohn. Der wirkungsvolle 4. Satz hat für den heutigen Geschmack etwas viel Tschingderassabum, bleibt aber trotzdem elegant. Jan Willem de Vriend, erfahren in historisch-informierter Aufführungspraxis, leitet die vorzügliche NDR-Radiophilharmonie geschmeidiger als Marc Niemann mit seinen Musikern aus Bremerhaven. Der Streicherklang – stellenweise fast ohne Vibrato – der Hannoveraner ist sensibler, dynamisch deutlich differenzierter. Niemann erscheint mit seiner etwas harten, überpräzisen Konturierung gerade auch im Finale gröber, obwohl dessen Einspielung ebenfalls begeistern kann. Leider war für den Rezensenten die Aufnahme unter Jürgen Rohde nicht greifbar.
Die 7. Symphonie: großartige Romantik
Emilie Mayers 7. Symphonie, wohl um 1856 entstanden, ist dann nochmal auf ganz anderem Niveau. Nur wenige Jahre nach der Dritten spricht hier eine viel individuellere und gereiftere Stimme, ein Werk mit enormer Dramatik und eindeutig romantischem Gestus. Formal von großer Klarheit und thematischem Beziehungsreichtum, in der Durchführung des Sonatensatzes mit seiner totalen Motivdissoziierung weit fortschrittlicher als alle ihre bisherigen Symphonien, nähert sich die Komponistin schon Schumann an: mit seinem ambitionierten, langsamen Satz, dem energischen, durchkomponierten Scherzo und vor allem dem am Schluss unkonventionell von F-Dur aufs Tragischste nach Moll kippenden Finale ein echter Hinhörer. Dabei legt sich de Vriend auch emotional richtig ins Zeug, und so gelingt eine mitreißende Darbietung, die der bewundernswerten Qualität dieses Werkes in jeder Hinsicht angemessen ist, der Einspielung von Jürgen Bruns nicht nur aufnahmetechnisch hochüberlegen. Das von cpo und dem NDR bei der Neuaufnahme gelieferte, durchsichtige und dynamische Klangbild kann wirklich überzeugen. Dazu gibt es einen informativen, analytischen Booklettext. Diese Symphonie ist zweifellos repertoirewürdig und das Kennenlernen somit ein Muss.
Vergleichsaufnahmen: [Nr. 3] Philharmonisches Orchester Bremerhaven, Marc Niemann (Hänssler HC22016, 2021); Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin, Mark Rohde (MDG 901 2239-6, 2021) – [Nr. 7] Kammersymphonie Berlin, Jürgen Bruns (Dreyer Gaido 21015, 2001).
Martin Blaumeiser [19.12.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Emilie Mayer | ||
1 | Sinfonie Nr. 3 C-Dur (Sinfonie Militaire) | 00:31:45 |
5 | Sinfonie Nr. 7 f-Moll | 00:34:50 |
Interpreten der Einspielung
- NDR Radiophilharmonie (Orchester)
- Jan Willem Vriend (Dirigent)