Jugendstil | Béatrice Berrut
Gustav Mahler • Arnold Schoenberg
la dolce volta LDV 100
1 CD • 68min • 2021
23.03.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Was die junge Schweizer Pianistin Béatrice Berrut hier vollbracht hat, ist enorm, eigentlich ist es fast unmöglich. Gustav Mahler benötigte ein Riesenorchester für seine symphonischen Werke und Arnold Schönberg immerhin ein Streichsextett für seine Verklärte Nacht. Berrut benötigt nur 88 Tasten eines modernen Bösendorfer-Flügels, um die klangvollen Welten beider Komponisten nachzuschöpfen. Das scheint gerade bei Mahlers hypertrophen Partituren kaum vorstellbar. In jedem Fall klingt es kompakter als im Original, obwohl Béatrice Berrut die dynamischen Möglichkeiten des Flügels so gut es geht ausreizt. Man muss sich einhören in diesem komprimierten Mahler, der in seinen Werken Extreme ausreizt, die auf dem Klavier kaum wiederzugeben sind. Die Pianistin kommt der Sache jedoch nahe, allerdings darf man hier keine überzogenen Erwartungen hegen. Pianistisch ist das alles von Feinsten, musikalisch aber muss klar sein: großes Kino im Cinemascope-Format ist das nicht. Eher schon das heimelige Programmkino mit einem Autorenfilm: keine große Bühne, aber ein intimer Rahmen, der andere Blicke auf ein Werk ermöglicht. Und das wirft ein ganz neues Licht auf die von Berrut eingespielten Sätze aus Mahlers 3., 5. und 6. Sinfonie.
In neuem Licht
Insbesondere bei Arnold Schönbergs Verklärter Nacht kann man von einem neuen Licht sprechen, das Béatrice Berrut mit ihrer Bearbeitung auf das Stück wirft, denn eine Bearbeitung im eigentlichen Sinn, das räumt sie selbst ein, ist unmöglich. Sie hat deshalb die Form der Paraphrase gewählt und als formale Schablone dafür Franz Liszts h-Moll-Sonate ausgewählt. Das Ergebnis klingt über weite Strecken denn auch eher nach Liszt als nach Schönberg. Sicherlich ist das pianistisch höchst anspruchsvoll und als eine originelle Annäherung an das Sujet zu betrachten. Warum man aber nun Schönberg im Stile von Liszt paraphrasieren sollte, darüber ließe sich trefflich streiten. Ein bedenkenswertes Unterfangen bleibt es dennoch, zumal Béatrice Berrut sich auch hier keine pianistischen Schwächen leistet. Im Gegenteil. Den ausgezeichneten Klang des Flügels schöpft sie in all seinen Finessen und Nuancen voll aus, allein schon dafür gebührt ihr Respekt.
Guido Krawinkel [23.03.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Sinfonie Nr. 5 cis-Moll, 4. Satz Adagietto. Sehr langsam (trans. für Klavier: Beatrice Berrut) | 00:09:22 |
2 | Sinfonie Nr. 3 d-Moll, 2. Satz Tempo di Menuetto. Grazioso (trans. für Klavier: Beatrice Berrut) | 00:10:55 |
4 | Sinfonie Nr. 6 a-Moll (Tragische) , 2. Satz Andante moderato (trans. für Klavier: Beatrice Berrut) | 00:17:23 |
Arnold Schönberg | ||
7 | Verklärte Nacht op. 4 (Paraphrase für Klavier: Beatrice Berrut) | 00:29:51 |
Interpreten der Einspielung
- Béatrice Berrut (Klavier)