Kalevi Aho
Solo
BIS 2446
1 CD/SACD stereo/surround • 78min • 2018, 2020, 2010, 2019, 2015, 2011
31.08.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Kalevi Aho, Jahrgang 1949, ist einer der bemerkenswertesten und produktivsten Sinfoniker unserer Zeit, und natürlich sind es insbesondere seine Orchesterwerke, die ihn in den letzten Jahrzehnten bekannt gemacht haben, darunter mittlerweile 17 Sinfonien und 35 Konzerte für alle Orchesterinstrumente (und nicht nur diese). Ahos Schaffen ist aber tatsächlich noch deutlich vielfältiger, und was die Besetzung anbelangt, nimmt die vorliegende neue BIS-SACD gewissermaßen die entgegengesetzte Position ein: versammelt sind hier ausschließlich Werke für ein einzelnes Instrument, genauer sieben seiner (bislang) 17 schlicht mit Solo betitelten Stücke, die wiederum unter anderem alle Instrumente des Orchesters abdecken. Ähnliche Zyklen kennt man beispielsweise von Luciano Berios 14 Sequenzen und den 18 Monologen des Schweden Erland von Koch.
Große spieltechnische Ansprüche und expressive Melodiebögen
Auf dieser CD werden die Soli für alle Instrumente des klassischen Holzbläserquintetts sowie für Viola und Violoncello vorgestellt, wobei es sich teilweise (Flöte, Oboe, Horn) um Wiederveröffentlichungen bereits auf anderen BIS-CDs enthaltener Aufnahmen handelt. Bei einigen der zwischen 1990 und 2018 entstandenen Werke handelt es sich um Wettbewerbsstücke, andere entstanden speziell für CD-Produktionen oder im Auftrag ihrer späteren Widmungsträger. Zunächst fallen eine Reihe von Parallelen auf: alle Stücke dauern rund zehn Minuten und sind abgesehen von Solo III für Flöte einsätzig. Die spieltechnischen Ansprüche sind meist immens, ohne dass Virtuosität notwendigerweise im Vordergrund stehen würde. Tatsächlich bauen viele der Soli auf langen, expressiven melodischen Linien auf, und hier ist ebenso sehr die Fähigkeit des Solisten gefragt, Musik zu gestalten, Spannungsbögen auf- und abzubauen. Dabei geht Aho in der Regel von einer im weiteren Sinne tonalen Grundierung aus, speziell in den Soli für Holzbläser spielt auch Mikrotonalität immer wieder eine Rolle sowie allerhand erweiterte Spieltechniken (z.B. Multiphonics). Im Zentrum stehen aber stets der natürliche Klang des jeweiligen Instruments und der musikalische Ausdruck, die Dramaturgie, die den Stücken innewohnt.
Vielfalt in Ausdruck und Charakter
Im Detail, in ihrer Charakteristik sind die einzelnen Stücke dabei ziemlich verschieden. Solo XII – in memoriam EJR für Viola etwa ist ein Gedenkstück für Einojuhani Rautavaara, mit ätherischen, von Flageoletts geprägten Außenteilen. Wesentlich dramatischer ist Solo V für Fagott, ein vom Kontra-B ausgehender erregt-deklamatorischer Monolog, in welchem die erweiterten Spieltechniken im Verlaufe des Stücks zur Steigerung und Intensivierung des Ausdrucks eingesetzt werden. Solo X für Horn wiederum erwächst aus volltönenden Hornrufen und ihren Echos. Hier und da wird man sich an manche Passagen aus anderen, in etwa zeitgleich entstandenen Werken Ahos erinnert fühlen, so etwa im eher lyrischen Solo IV für Cello, dessen weite Melodiebögen an die Solopassagen für Sopranposaune aus dem langsamen Satz der Sinfonie Nr. 10 erinnern, oder im zweiten Satz des Solo III für Flöte, dessen Figurationen stellenweise an den Beginn der Sinfonie Nr. 8 erinnern. Dies zeigt nicht zuletzt, dass Aho, dessen Musik ja gerne mit dem Attribut Polystilistik versehen wird, sehr wohl auch über ein ganz eigenes, prägnantes melodisches Profil verfügt, und letztlich sind es Charakteristika dieser Art, die einen großen, eigenständigen Komponisten als ebensolchen auszeichnen.
Eine herausragende Produktion
Bei den Interpreten handelt es sich in vielen Fällen um die Auftragsgeber bzw. Widmungsträger, so Hiyoli Togawa (Viola), Piet Van Bockstal (Oboe), Simon Reitmaier (Klarinette) und Marie-Luise Neunecker (Horn); auch Samuli Peltonen (Violoncello), Bram van Sambeek (Fagott) und natürlich Sharon Bezaly an der Flöte sind als Interpreten von Ahos Musik bereits einschlägig bekannt. So verwundert es nicht, dass die Einspielungen durch die Bank fabelhaft geraten sind und Referenzcharakter besitzen dürften. Einziger Wermutstropfen dieser Produktion ist das eher zähe Beiheft, das zwar die Hintergründe der Entstehung der einzelnen Werke beleuchtet, aber was die Musik selbst anbelangt teilweise arg knapp geraten ist (man vergleiche etwa den Kommentar zum Solo IX für Oboe mit Ahos eigenem Text im Beiheft der BIS-SACD 1876) und – bei aller grundsätzlichen Zustimmung bezüglich Ahos kompositorischer Meisterschaft – immer wieder übermäßig elogenhaft daherkommt. Insgesamt eine herausragende Veröffentlichung, auf deren Fortsetzung man mit Vorfreude warten darf.
Holger Sambale [31.08.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Kalevi Aho | ||
1 | Solo IV für Violoncello | 00:10:25 |
2 | Solo XII für Viola (In memoriam EJR) | 00:11:21 |
3 | Solo IX für Oboe | 00:10:32 |
4 | Solo XIV für Klarinette | 00:12:55 |
5 | Solo V für Fagott | 00:10:13 |
6 | Solo X für Horn | 00:07:39 |
7 | Solo III für Flöte solo | 00:13:08 |
Interpreten der Einspielung
- Samuli Peltonen (Violoncello)
- Hiyoli Togawa (Viola)
- Piet Bockstal (Oboe)
- Simon Reitmaier (Klarinette)
- Bram Sambeek (Fagott)
- Marie Luise Neunecker (Horn)
- Sharon Bezaly (Flöte)