La Nuit Transfigurée
Trio Karénine
Mirare MIR554
1 CD • 58min • 2020
31.07.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Das französische Trio Karénine, – der Name geht auf Tolstois Roman „Anna Karenina“ zurück – das einen der beiden 2. Preise des ARD-Musikwettbewerbs errang, wählte für seine neueste Einspielung Bearbeitungen für Klaviertrio, die entweder vom Komponisten oder nahestehenden Kollegen stammen. Das Klavierstück Vallée d’Obermann bezieht sich auf den Briefroman „Obermann“ von Émile de Senancourt, in welchem einer der Briefe „Vom Wesen des Romantischen und vom Kuhreigen“ Betrachtungen zum romantischen Lebensgefühl in wilder Natur thematisiert.
Der traurige d'Obermann
Liszt wurde 1837/38 – nachdem er sich mit Marie d’Agoult in die Schweiz abgesetzt hatte – durch diesen Text zu einer Improvisation angeregt, die er zuerst im „Album d’un voyageur“ veröffentlichte und die ihre pianistische Endgestalt gut zehn Jahre später im Schweiz-Heft der „Années de Pelerinage“ fand. Ähnlich wie in der Dante-Sonate experimentiert Liszt hier mit einer eigenen Form sonatenmäßigen Gestaltens. Wäre das Stück ihm nicht wichtig gewesen, hätte er es nicht 1880 einer Bearbeitung für Klaviertrio unterzogen. Die Grobfassung überließ er Eduard Lassen, seinem Nachfolger als Weimarer Hofkapellmeister, und übernahm selbst nur die Korrekturen. Hierbei griff er die Idee einer langsamen Einleitung aus der Urfassung wieder auf, gestaltete sie jedoch in der vagen Tonalität seines Spätstils. So entstand ein durchaus beeindruckender Satz, der an die Interpreten durch die Lisztsche „Unart“, Steigerungen durch Wiederholung kurzer Themenabschnitte in unterschiedlicher klanglicher Beleuchtung zu erzielen, gestalterisch vor höchst anspruchsvolle Aufgaben stellt.
Theodor Kirchner als Retter Schumanns
Robert Schumann schrieb seine Studien in kanonischer Form für den Pedalflügel. Da sich das Instrument nicht durchsetzte und die Stücke auf der Orgel klanglich nur unbefriedigend darstellbar sind, wären sie der Musikwelt verloren gegangen, hätte Theodor Kirchner sie nicht kongenial für Klaviertrio eingerichtet und so ein Pendant zu den Märchenstücken op. 132 geschafften. Die Bearbeitung verdeutlicht die Stimmführung außerordentlich und zeugt von der Einfühlungsfähigkeit eines begabten Komponistenkollegen.
Wie nahe der junge Schönberg dem „Neudeutschen“ Liszt stand, erfährt man durch die Trio-Bearbeitung der Verklärten Nacht durch Emanuel Steuermann, der zu dieser Reduktion auf des Wesentliche wohl durch die Praxis des „Vereins für musikalische Privataufführungen“ angeregt wurde. Diese macht durch ihren Spaltklang die Stimmführung durchhörbarer und erlaubt so ein besseres Mitvollziehen der musikalischen Entwicklung. Auch gewinnen die dramatischen Abschnitte durch das Klavier an Aplomb.
Ideale Interpretation
Das Trio Karénine musiziert die drei Werke mit einem – immer werkdienlich eingesetzten – außerordentlichen Reichtum an Klangfarben und dynamischen Schattierungen. Es beherrscht alle Stärkegrade von intimer Introvertiertheit bis zur orchestralen Wucht. Es vermag, aus den manischen Wiederholungen der Tristia Spannung zu generieren und dadurch eine Geschichte zu erzählen. Die unterschiedlichen Charaktere der Schumann-Kanons sind so exzellent getroffen, dass man diese vorwiegend lyrisch-liedhaften Werke nur in dieser Fassung hören möchte. Die Verklärte Nacht erhält auf diese Weise mehr Dramatik als sie die Streichorchesterfassung jemals bieten könnte. Wundervoll gemacht!
Die Aufnahmetechnik stellt die Instrumente lebendig in den Raum. Der Booklet-Text bietet wichtige Informationen, hätte aber gern noch mitteilen können, dass Tristia die Nummer 378c im Searle-Verzeichnis der Liszt-Werke erhielt.
Fazit: Eine intelligent kombinierte, interpretatorisch begeisternde Kammermusik-Einspielung, die sowohl romantische Verzweiflung, Erschauern, als auch innigen Gesang bietet. Unbedingt empfehlenswert!
Thomas Baack [31.07.2021]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Tristia & Orphée für Klaviertrio | 00:15:30 |
Robert Schumann | ||
2 | Sechs Studien für den Pedal-Flügel op. 56 (Transkr.: Theodor Kirchner) | 00:17:00 |
Arnold Schönberg/Eduard Steuermann | ||
8 | Verklärte Nacht op. 4 (Bearb. für Klaviertrio) | 00:26:14 |
Interpreten der Einspielung
- Trio Karénine (Klaviertrio)