One Woman Band
Experimental Music Circus
Kaleidos KAL 6352-2
1 CD • 56min • 2020
03.06.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Eine Musikerin wie Dorrit Bauerecker ist nicht einfach „nur“ Pianistin oder „nur“ Akkordeonspielerin, ebensowenig „nur“ Interpretin oder Improvisatorin. Und auch als fantasievolle Klangperformerin ist Dorrit Bauerecker ein Mensch mit vielen Rollen und Erfahrungen. Dieses Selbstverständnis findet auf ihrer CD-Produktion „One Woman Band“ auf dem Kaleidos-Label einen starken Widerhall. Bauerecker, die sich seit vielen Jahren von der aufgeweckten Kölner Musikszene anregen lässt, spielt hier alle Instrumente selbst. Und dieser „Experimental Music Circus“ – so der Untertitel – gestaltet sich beim Hören dieser CD kurzweilig und unterhaltsam, eben weil hier unkonventionelle Ansätze in fröhliche Koexistenz miteinander treten.
Spielzeugklänge
Moritz Eggerts Kompositionen One Man Band, One Woman Band und Dual Band ziehen sich wie ein roter Faden durch diese CD. Mit spielzeughaften, zugleich tonal raffiniert gesetzten Texturen – allein, weil die grelle Klanglichkeit eines ausgiebig zum Einsatz kommenden „Toy-Pianos“ so etwas hervor bringt. Dorrit Bauerecker agiert mit beherzter Spiellust auf jedem zum Einsatz kommenden Klangerzeuger. Zugleich wirkt alles ausgesprochen ausformuliert und nie beliebig. Da kommt auch mal die Stimme zum Einsatz und es wird gepfiffen. Mächtige pianistische Zwischenspiele funken dazwischen und zeugen von Bauereckers bestechendem Potenzial auf den Tasten. Pentatoische Tonfolgen nehmen irrwitzige Fahrt auf – und schon streut wieder die Mundharmonika eine Art „Kinderlied-Melodie“ dazwischen. Noch greller in seiner Effekt-Dramaturgie, vor allem wegen Dorrit Bauereckers kompromisslosem Stimmeinsatz, kommt das zweite Stück One Woman Band daher. Im Dritten Stück Dual Band braucht Dorrit Bauerecker dann doch mal Assistenz durch den Komponisten Moritz Eggert, denn dieser Flügel will auf den Tasten und in seinem Inneren zugleich bespielt sein.
Vielfalt musikalischer Perspektiven
Sehr gut gelungen ist überdies, wie die einzelnen Stücke unterschiedliche Perspektiven einnehmen: Niklas Seidles Klang- und Wortcollage Gichtgriffel und Achterbeene macht Feldforschungen aus heutiger sozialer Wirklichkeit zum kompositorischen Material. Oder anders formuliert: Was kann passieren, wenn Dorit Bauerecker mit ihrem Akkordeon unter Leute geht, vielleicht eben auch unter solche, die eben nicht auf der Gewinnerseite des Lebens stehen? Zu Wort kommen obdachlose Menschen, die am Rande der Livestyle-Metropole Hamburg leben, erschütternde Selbstauskünfte aus ihrem Alltag geben. Im Folgenden mischt sich Dorrit Bauerecker als Konzertpianistin ein. Ihre „Interpretation“ von Jean-Philippe Rameaus La Poule wirkt wie ein Kommentar aus ferner Vergangenheit, dem es durch Bauereckers eigenwillige Akzentuierung aber auch nicht an einer Prise Ironie mangelt. Keine These ohne Antithese – das trifft umso mehr auf diese originelle Bestandsaufnahme musikalisccher Möglichkeiten zu: Gfätterle von Oxana Omelchuk wirkt wie eine stationäre Ambient-Musik, in der Akkordeon, Keyboard und Melodica sämtliche Verändungsprozesse an nur einem einzigen, über 12 Minuten andauernden Ton durchexerzieren. Im Gegensatz dazu wird in Julia Wolfes East Broadway dann noch einmal der musikalische Spielzeugladen aufgemischt , wenn das Toy Piano und eine „Toy-Boombox“, die so ählich wie ein Gameboy aus den 1980er Jahren klingt, um die Wette grooven. Fazit: Musik ist immer vielschichtig. Und Dorrit Bauerecker nimmt uns auf dieser CD in ein spannendes Labyrinth aus Assoziationsräumen mit.
Stefan Pieper [03.06.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Stephen Montague | ||
1 | Mirabella (A Tarantella for Toy Piano) | 00:04:05 |
Moritz Eggert | ||
2 | One Man Band II (für Klavier und Nebeninstrumente - Toy Piano, Mundharmonika, Fußpedal mit Woodblock, quietschendes Objekt) | 00:07:55 |
Niklas Seidl | ||
3 | Gichtgriffel und Achterbeene | 00:10:23 |
Jean-Philippe Rameau | ||
4 | La Poule | 00:04:51 |
Moritz Eggert | ||
5 | One Woman Band (für Klavier und Nebeninstrumente - Samples, hochhackige Schuhe, Kaffeemahlmaschine, Herdplatte mit Wasserkessel) | 00:05:23 |
Oxana Omelchuk | ||
6 | gfätterle für Akkordeon, Keyboards und Melodika | 00:12:35 |
Julia Wolfe | ||
7 | East Broadway für Toy Piano und Toy Boomboxes | 00:03:36 |
Moritz Eggert | ||
8 | Dual Band (für zwei Pianisten an einem Flügel mit Sonderinstrumenten - Toy Piano, Bongos) | 00:07:31 |
Interpreten der Einspielung
- Dorrit Bauerecker (Klavier)