Joseph Bodin de Boismortier
Sonates à deux violes op. 10
Antes BM319305
1 CD • 60min • 2019
28.02.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Lothringer Joseph Bodin de Boismortier (1689-1755) kam nach Zwischenstationen als Flötist in Nancy und als Steuereinnehmer der Tabakgesellschaft in Perpignan im Jahre 1724 nach Paris. Dort veröffentlichte er in den Jahren bis 1747 über 100 Werke, die ihn durch ihre hohe Popularität zu einem wohlhabenden Mann machten. Er war somit einer der ersten „freischaffenden“ Komponisten ohne offizielles Amt. Dabei komponierte er gezielt Werke für den damals florierenden Liebhaber-Markt, angefangen von leichten Duetten für 2 Musettes, die sich auch auf Blockflöten spielen lassen, bis zu anspruchsvollen Sonaten für 1-5 Traversflöten mit und ohne Generalbass.
Vielschreiberei oder kundenorientiertes Komponieren?
Diese Leichtigkeit des Produzierens wurde ihm von späteren Generationen, die die Einmaligkeit eines jeden Kunstwerks idealisierten, – ganz ähnlich wie Telemann - als „Vielschreiberei“ ausgelegt. Hierbei verkannte man jedoch, dass Komposition im Barock noch als Kunsthandwerk gelehrt wurde – ähnlich der Goldschmiedekunst oder dem Möbelbau, die es ja ebenfalls verstanden, aus bewährten Mustern meisterliche, auf den Geschmack des Auftraggebers abgestimmte Werke zu schaffen.
Die hier zum ersten Mal auf Tonträger vorgelegten, meist viersätzigen Sonaten für zwei Bassgamben halten sich äußerlich an die Anordnung der „Sonata da chiesa“, verwenden jedoch häufig typisch französische Tanzmuster, so dass sie dem galanten „vermischten“ Stil zuzuordnen sind. Dies stellt die Interpreten zunächst vor die Aufgabe, den Grad der „Vermischung“ festzustellen und daraus die nötige Abweichung vom notierten Text abzuleiten. Dies betrifft bei den französisch inspirierten Sätzen, die Rhythmik (Inégalité bei durchlaufenden Achteln oder 16teln), die Agogik (Erkennen charakteristischer Zweitaktgruppen, von denen der erste Takt leicht genommen werden muss, um auf den zweiten Takt zielen zu können) und die Ornamentik mit hauptsächlich „wesentlichen“ Manieren (Triller, Doppelschlag, Schleifer). Stärker italienisch orientierte Sätze verlangen nach einer freieren Behandlung der Verzierungen.
Diese Anforderungen beschreiben gleichzeitig meine Kritikpunkte an der vorliegenden Einspielung durch Georg Noeldeke und Rahel Klein. Da die meisten Sätze eine zweiteilige Form mit Wiederholungen aufweisen, reicht es nicht, nur den ersten Teil unverändert zu wiederholen und die Wiederholung des zweiten zu streichen. Dieser Ansatz verkennt die gestalterische Rolle des Interpreten, die im galanten Stil ein improvisierendes Mitkomponieren erfordert. Alle gewählten Tempi tendieren zur Langsamkeit. Man muss die Gavotte der zweiten Sonate nicht im von Quantz vorgeschlagenen Tempo von 160 Vierteln/Minute spielen – wenn man das Leicht-Schwer beachtet, dürften 126 reichen – aber 104 ist definitiv zu langsam. Ob Bögen über mehreren 16teln deren Inégalité aufheben sie sogar „lombardisch“ umkehren, oder ausnahmsweise als Legato-Anweisung gedacht sind, muss fallweise entschieden werden, daran zeigte sich damals der „bon goût“ der Ausführenden. Eine Bevorzugung der Legato-Variante in Verbindung mit zu lauten Auftakten hemmt jedoch jegliche tänzerische Spritzigkeit, trotz durchweg tonschönen Spiels.
Die Klangtechnik stellt die beiden Instrumente sehr schön in den Raum. Das Booklet bietet interessante Hintergrundinformationen.
Fazit: Aufgrund der arg gezügelten Tempi und des manchmal recht breiten Strichs ist die Aufnahme zum Kennenlernen recht gut geeignet, kann aber nicht als das letzte Wort zu diesen Werken gelten. Gelegenheitshörer sollten die Sonaten einzeln genießen, da der Klang zweier tiefer Streichinstrumente auf Dauer etwas eintönig werden kann.
Thomas Baack [28.02.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Bodin Boismortier | ||
1 | Sonate e-Moll op. 10 Nr. 1 | 00:09:44 |
5 | Sonate A-Dur op. 10 Nr. 2 | 00:09:03 |
9 | Sonate g-Moll op. 10 Nr. 3 | 00:10:37 |
13 | Sonate D-Dur op. 10 Nr. 4 | 00:11:03 |
17 | Sonate a-Moll op. 10 Nr. 5 | 00:10:15 |
22 | Sonate C-Dur op. 10 Nr. 6 | 00:08:50 |
Interpreten der Einspielung
- Georg Noeldeke (Viola da gamba)
- Rahel Klein (Viola da gamba)