Georg Caspar Schürmann
Die getreue Alceste
cpo 555 207-2
1 CD • 62min • 2016
22.08.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Georg Caspar Schürmann, jahrzehntelang Kapellmeister, Sänger und Komponist am Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel, war eine anerkannte musikalische Lokalgröße, die auch über das Fürstentum hinauswirkte, aber Spuren in der Musikgeschichte hat er kaum hinterlassen. Umso größer mag die Überraschung sein, jetzt dreihundert Jahre nach der Uraufführung seine Oper Die getreue Alceste kennen zu lernen, die erfreulich wenig Staub angesetzt hat.
Mit dem Drama des Euripides, auf das sich im wesentlichen auch Glucks spätere Alceste (1767) bezieht, hat das Libretto von Johann Ulrich König, der auf Philippe Quinaults Opernbuch für Lully (1674) zurückgreift, nur die Motive der Selbstopferung Alcestes und ihrer Befreiung aus der Unterwelt durch Hercules gemeinsam. König hat die Personnage erheblich (und noch über Quinault hinaus) erweitert, wobei die Geschichte der getreuen Alceste, die erst in der Mitte des 2. Aktes einsetzt, vorübergehend etwas ins Hintertreffen gerät. Wir verfolgen vielmehr einen höfischen Reigen. Strato liebt Céphise, die Vertraute der Alceste, die seiner aber überdrüssig geworden ist, weil sie sich in Hippolyte verliebt hat, nicht ahnend, dass dieser in Wahrheit eine Frau in Männerkleidung und völlig in den Helden Hercules verschossen ist. Der wiederum hat nur Augen für Alceste, die ihrerseits keinen anderen Mann begehrt als Admetus. Der ist untröstlich über ihren heroischen Tod, geht dann aber mit Hercules einen fragwürdigen Deal ein: falls der sie aus der Unterwelt zurückholt, darf er sie behalten.
Alceste, dem Leben wiedergegeben, fügt sich in diese Vereinbarung, doch der tränenreiche Abschied von Admetus veranlasst Hercules, von seinen Ansprüchen zurückzutreten. Es bleibt Céphise überlassen, ihn mit Hippolyte zu verkuppeln, deren wahres Geschlecht sie spät erkannt hat, aber noch rechtzeitig genug, um zu Strato zurückzukehren. Ein rundum glückliches Ende, denn die richtigen Paare haben sich gefunden. Antike Größe darf man in diesem Stück nicht suchen, hier weht ein höfisch-frivoler Wind von Paris nach Braunschweig herüber, und Schürmanns Musik trägt der unterhaltsamen Geschichte, die mit der Tragik nur kokettiert, absolut Rechnung. Auch wo er einen elegischen Ton anschlägt, etwa in den Abschiedsarien und –duetten von Alceste und Admetus, lässt der Komponist kaum Zweifel daran, dass die Sache gut ausgehen wird. In der Partitur mischt er Einflüsse der französischen und der italienischen Oper mit dem schlichten und liedhaften deutschen Stil. Sängerische Virtuosität ist zwar in einigen Arien gefordert, wird aber nicht zum Selbstzweck. Ein empfindsamer, heiterer und im Melodischen unverkünstelter Tonfall herrscht vor.
Wenige Monate nach der Uraufführung am Braunschweiger Hof im Februar 1719 brachte Schürmann das Werk am Hamburger Gänsemarkt-Theater heraus, wobei - wohl dem Publikumsgeschmack entsprechend - einige deutsche Arien durch italienische Arien anderer Komponisten (darunter Vivaldi, Bononcini und Steffani) ersetzt wurden.
Bei dieser zweisprachigen Version dürfte es sich eher um ein Opern-Divertimento gehandelt haben. Verständlich also, dass sich Ira Hochman und das von ihr geleitete barockwerk hamburg bei ihrer (enthusiastisch aufgenommenen) halbszenischen Aufführung im Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg um eine Rekonstruktion der Braunschweiger Urfassung bemühten, von der kein Notenmaterial mehr erhalten ist.
Für die vorliegende Aufnahme, die unter Studio-Bedingungen in der Kirche St. Martin in Raven entstand, hat man sich aus Kostengründen für eine einstündige Kurzfassung des Werks entschieden, in der die wichtigsten Musikstücke enthalten sind und der Gang der Handlung nachvollzogen werden kann. Das Ergebnis überzeugt und macht Lust, noch mehr von Schürmann kennen zu lernen. Das lebendige und präzise Spiel des 20köpfigen Instrumental-Ensembles setzt den Komponisten ins richtige Licht, bei den kompetenten Sängern geht Homogenität des Gesamtklangs vor solistischer Brillanz.
Ekkehard Pluta [22.08.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georg Kaspar Schürmann | ||
1 | Die getreue Alceste (Oper in drei Akten) | 01:01:36 |
Interpreten der Einspielung
- Hanna Zumsande (Alceste - Sopran)
- Santa Karnīte (Hyppolite - Sopran)
- Katherina Müller (Céphise - Sopran)
- Alon Harari (Admetus - Alt)
- Mirko Ludwig (Licomedes - Tenor)
- Dustin Drosdziok (Phéres - Tenor)
- Ralf Grobe (Hercules - Baß, Cléantes - Baß)
- Andreas Heinemeyer (Strato - Baß, Aeolus - Baß)
- barockwerk hamburg (Ensemble)
- Ira Hochmann (Dirigentin)