Franz Lachner
Catharina Cornaro
cpo 777 812-2
2 CD • 2h 32min • 2012
25.06.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Caterina Cornaro ist eine historische Figur. Die venezianische Patrizierin (1454-1510) wurde mit dem König von Zypern, Jakob II. von Lusignan, verheiratet und nach dessen rätselhaftem frühen Tod 1474 zur Königin eingesetzt, nach 15jähriger Regentschaft aber von Venedig zur Abdankung genötigt. Ihre Person und ihre Geschichte haben zahlreiche Maler (Tizian, Bellini, Veronese, Makart), Literaten und Musiker inspiriert.
Gleich fünf Opern von tonangebenden Komponisten kamen innerhalb eines halben Jahrzehnts an prominenten Orten heraus. Auf Fromental Halévy (La reine de Chypre, Paris 1841) und Franz Lachner (Catharina Cornaro, München 1841) folgten Gaetano Donizetti (Caterina Cornaro, Neapel 1844), William Balfe (The Daughter of St. Mark, London 1844) und Giovanni Pacini (La regina di Cipra, Turin 1846). Gemeinsame Grundlage aller dieser Opern war das Libretto des damals viel beschäftigten Henri Saint-Georges, das dieser für Halévy geschrieben hatte und das die Komponisten anderer Nationen ihren stilistischen Bedürfnissen entsprechend umformten. Die historischen Ereignisse werden hier durch eine frei erfundene höfische Intrige erst opernfähig gemacht. Caterina wird am Hochzeitstag von der Seite ihres geliebten Gérard gerissen und stattdessen mit Lusignan verheiratet, dem König von Zypern. Die Republik Venedig will dadurch das Inselreich unter ihre Herrschaft bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, scheut sie später auch vor einem Giftmord am König nicht zurück, doch die Zyprioten schlagen die venezianischen Eroberer in die Flucht. Alois Büssel hat das im Original fünfaktige Stück in vier Akte zusammengefasst und in teilweise sehr schlechte deutsche Verse gegossen. Auch einige Namen wurden geändert. Aus dem Franzosen Gérard wird der venezianische Edelmann Marco. Bei Halévy macht es durchaus dramaturgischen Sinn, dass die Nebenbuhler wider Willen, die zu Waffenbrüdern und beinahe Freunden werden, beide aus Frankreich kommen.
Gegenüber der unmittelbaren französischen und italienischen Konkurrenz hat diese deutsche Variante keinen leichten Stand. Lachners Musik verfügt weder über die rhythmische Schwungkraft und den lyrischen Überschwang Halévys noch über die Kantilenentrunkenheit Donizettis, von der selbst der Bösewicht nicht ausgenommen wird. Seine Oper setzt mehr auf Repräsentation als auf sinnliche Überrumpelung, bleibt insgesamt höfisch-zeremoniell, und die Figuren sind vergleichsweise zu blutarm, um wirklich für ihre Schicksale zu interessieren. Berührend gerät erst der vierte Akt, wo sich Catharina erst mit ihrem kranken Gatten, dann mit dem Geliebten aussprechen kann und alle Missverständnisse, leider zu spät, aufgeklärt werden.
In musikhistorischer Hinsicht ist diese Catharina Cornaro zweifellos interessant, als ein Bindeglied nämlich zwischen dem Musiktheater Webers und dem des jungen Wagner. In den Orchestervorspielen zum 3. und 4. Akt werden Erinnerungen auch an Schubert wach, in der Aneignung des Stils der Grand Opéra folgt Lachner mehr dem Klassizismus Cherubinis und Spontinis als den Erneuerern der Gattung Meyerbeer und Halévy.
Für die erste (nur konzertante) Aufführung seit mehr als hundert Jahren im Münchner Prinzregententheater hat Volker Tosta auf der Grundlage des Autographs sowie handschriftlicher Aufführungspartituren eine historisch-kritische Edition erstellt, die auch im Druck erschienen ist. Ob sie zu einer Wiederbelebung des einst viel gespielten Werkes auch auf der Bühne führt, bleibt abzuwarten. Die vom BR mitgeschnittene Münchner Produktion ist zwar Respekt gebietend, aber durchaus nicht mitreißend. Pech gab es im Vorfeld: sowohl der Dirigent wie die Primadonna mussten ausgetauscht werden. Für Ulf Schirmer sprang der sehr erfahrene Ralf Weikert ein, der mit dem Münchner Rundfunkorchester hörbar gute Arbeit leistet, aber zu wenige dramatische Akzente setzt. Kristiane Kaiser, für Michaela Kaune eingesprungen, ist mit ihrem expansionsfähigen lyrischen Koloratursopran eine glückliche Besetzung für Catharina, die sie mit einiger Belcanto-Kultur gestaltet; sie wäre zweifellos auch bei Halévy und Donizetti eine gute Wahl. Nicht ganz so überzeugend ist Daniel Kirch als Marco, ein Sänger auf dem Weg vom Tamino zum Siegfried, der dementsprechend oft bemüht klingt, wo ein flexibler, schwingungsreicher Tenor gefragt wäre, wie ihn heute Michael Spyres oder Bryan Hymel verkörpern. Da ist der junge Schweizer Fachkollege Mauro Peter als König eher am richtigen Platz, leider hat er nur wenig zu singen. Wünsche bleiben bei den tiefen Männerstimmen offen. Simon Paulys lyrischem Bariton fehlen für die ambivalente Rolle des Onkels Andrea Cornaro Farbe und Charakter, und der noch relativ junge Bassist Christian Tschelebiew fällt in der Schurkenrolle des Onofrio unangenehm mit einem Wobble auf, den man eigentlich nur bei alten Sängern in Kauf nehmen kann. Völlig unprofiliert sind die beiden Auftragsmörder Spirido und Angelo (offenbar mit zwei Chorsängern) besetzt.
Ekkehard Pluta [25.06.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Paul Lachner | ||
1 | Catharina Cornaro (Große Oper mit Ballett in vier Akten) | 02:31:58 |
Interpreten der Einspielung
- Kristiane Kaiser (Catharina Cornaro, Andrea Cornaros Nichte - Sopran)
- Daniel Kirch (Marco Venero, Edler von Venedig - Tenor)
- Mauro Peter (Jakob II. von Lusignan, König von Zypern - Tenor)
- Simon Pauly (Andrea Cornaro, Edler von Venedig - Bariton)
- Christian Tschelebiew (Onofrio, venezianischer Senator - Bariton)
- Priska Eser-Streit (Ein Page - Sopran)
- Timo Jansen (Spirido, ein Bandit - Baß)
- Wolfgang Klose (Angelo, ein Bandit - Baß)
- Andreas Burkhart (Ein Offizier - Baß)
- Matthias Ettmayr (Diener - Baß)
- Chor des Bayerischen Rundfunks (Chor)
- Münchner Rundfunkorchester (Orchester)
- Ralf Weikert (Dirigent)