Erkki-Sven Tüür
Illuminatio • Whistles and Whispers from Uluru • Symphony No. 8
Ondine PDE 1303-2
1 CD • 64min • 2016, 2017
17.02.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der estnische Komponist Erkki-Sven Tüür gehört zu den Komponisten unserer Zeit, die für eine Musik stehen, welche gleichermaßen kompromisslos modern wie eingängig ist. Musik die zur Auseinandersetzung einlädt, nicht abstößt. Er steht damit in der – sehr ungefähren – Nachfolge von Komponisten wie dem Landsmann und großen Sinfoniker Eduard Tubin (1905 – 1982) und dem finnischen ‘Fauvisten’ Einojuhani Rautavaara (1928 – 2016). In den letzten Jahren hat sich Tüür „zu einem der interessantesten Sinfoniker der Gegenwart entwickelt“ (Thomas Schulz).
Seine vorletzte, Siebte, Symphonie sowie sein Klavierkonzert (Paavo Järvi, hr-Sinfonieorchester, Laura Mikkola, ECM) begeisterten mich. Tüur bedient sich vieler verschiedener Stile und Einflüsse auch außerhalb der traditionellen Klassik (insb. Jazz und Rock) kommt aber nie auch nur in die Nähe von Crossover-Untiefen. Das schafft hohe Erwartungen für diese Ondine Aufnahme von drei recht neuen Werken: Tüürs Achten Sinfonie (2010), seinem Viola Konzert (Illuminatio, 2008), und einem Flöten Concertino (Whistles and Whispers from Uluru, 2007).
Nach kurzem Aufstieg aus einer windumhauchten, ursuppigen Tiefe zeichnet Tüur den Anfang des von Bratscher Lars Anders Tomter initiierten und hier von Lawrence Power eingespielten Violakonzertes mit langen, dissonanten Strichen und Flächen in denen sich Orchesterschichten – von Schlagwerk und Glockenspiel aufgelockert – wie Eisplatten auftürmen. Im zweiten Satz nimmt die Aktivität zu; Bratschen-Blöcke stehen Xylophon-Phasen gegenüber; im dritten Satz wird wehement gehämmert und gebratscht als arbeite sich das Konzert mühsam zum vierten Satz vor. Dort kann Lawrence Power erst seine beeindruckende und vor allem musikalische Virtuosität von ihrer besten Seite zeigen, bevor ihn dann das immer stärker werdende Orchester erst überrollt und schließlich, leise, mit dem Schnaufen (oder Zusammenschlagen der Wellen) des Konzertangfangs , endet.
Die Achte Symphonie mag zwar für ein Kammerorchester – das Scottish Chamber Orchestra – geschrieben sein, ist aber weder in Gestus noch Länge (25 Minuten) eine Kammersinfonie. Die drei durchgehenden Sätze sind wuchtig mit Schlagwerk besetzt – und wenn sie von dieser CD aus wirken sollen (dazu noch mehr), muss man entsprechend den Lautstärkeregler nach rechts drehen: Die richtige, effektive Lautstärke hat man dann erreicht, wenn die Nachbarin von zwei Stockwerken über einem klingelt. Es wirkt wie ein dunkel-getöntes Farbspiel mit hämmernden Zwischenmeldungen und blubbernden Zwischenhöhepunkten – bis sich am Anfang des dritten Satzes ein verkappter Dorfwalzer einschleicht der entfernt an ironischen Schostakowitsch erinnert. So richtig viel passiert allerdings nicht, wobei einen die Schlussapotheose durchaus versöhnlich stimmen kann.
Whistles and Whispers from Uluru ist die estnische Sicht des Australischen Hinterlandes… ein Flötenconcertino (Genevieve Lacey an all den verschiedenen Instrumenten) mit Aboriginal-Gschmäckle in dem es wild gurgelt und schnorchelt. Ohren mit Einbildungskraft mögen einen Wald mit fröstelnden Nachtvögeln hören, oder ominös tuschelndes und pfeifendes Wüstengefieder. Zwischendrin läßt Tüür als alter Prog-Rocker auch mal aufs Drum Kit mit Hi-Hats hauen. Bunt und atmosphärisch. Zum Schluss gluckst es noch einmal wild – und dann ist Uluru auf einmal, unvermittelt, gewesen.
Ob vom Spiel her oder der Abmischung, diese Aufnahme mit der Tapiola Sinfonietta unter Olari Elts ist sehr hell und leicht geraten. Vieles was (vermutlich) aus der Tiefe der Musik effektvoll nach oben kommen soll wird eigentlich erst an der Oberfläche wahrgenommen. Das ist gerade bei dem Violakonzert bemerkbar wenn man es mit dem Mitschnitt der Aufführung von Widmungsträger Tomter und dem Staatlichen Symphonieorchester Estlands – auch unter Elts – vergleicht. Letztere bringt, selbst noch in ansonsten magerer YouTube Qualität – Atmosphäre, Tiefe und Schärfe wo die Ondine Aufnahme – allerdings auf sehr hohem und vor allem hoch-transparenten Niveau – verweichlichte Vordergründigeit bietet. Alles in allem eine vielversprechende und (deswegen) frustrierende Einspielung.
Jens F. Laurson [17.02.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Erkki-Sven Tüür | ||
1 | Illuminatio für Viola und Orchester | 00:23:44 |
5 | Whistles and Whispers from Uluru für Blockflöten und Streichorchester | 00:13:57 |
6 | Sinfonie Nr. 8 | 00:25:32 |
Interpreten der Einspielung
- Lawrence Power (Viola)
- Genevieve Lacey (Blockflöte)
- Tapiola Sinfonietta (Orchester)
- Olari Elts (Dirigent)