Charles Ives
Joonas Ahonen • Pekka Kuusisto
BIS 2249
1 CD/SACD stereo/surround • 59min • 2016
14.09.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Zeiten sind vorbei, in denen Charles Ives′ gigantische Concord-Sonate als unspielbares Monstrum galt. Nicht nur Super-Virtuosen vom Schlage eines Hamelin oder Aimard haben das Werk in den letzten Jahren aufgenommen, sondern auch und vor allem junge, aufstrebende Pianisten, für die Ives′ intrikate Rhythmen und Akkordballungen keine Schrecken mehr darstellen, sondern lediglich eine bezwingbare Herausforderung. Zu diesen Künstlern zählt der 1984 geborene finnische Pianist Joonas Ahonen, der, als langjähriges Mitglied des Klangforums Wien, reichlich Erfahrung mit Musik des 20. und 21. Jahrhunderts mitbringt. Für BIS hat er bereits Ligetis Klavierkonzert eingespielt und beim selben Label erscheint jetzt seine Concord-Interpretation, gekoppelt mit Ives′ Vierter Violinsonate.
Es überrascht nicht, dass Ahonen den Notentext souverän bewältigt – wobei es ihm hörbar weniger auf die Herausstellung der stilistischen Vielgestaltigkeit des Werks ankommt, seine oft collage-artige Buntheit, sondern vielmehr auf die Durchleuchtung der harmonischen Ebene. Damit reüssiert er vor allem in den ruhigen und verhaltenen Partien der Sonate. Letztlich verfehlt er jedoch damit einen der Grundzüge von Ives′ Partitur. Schließlich kommunizieren in dem Stück permanent verschiedene musikalische Ebenen, und dazu zählen eben auch jene zahlreichen Zitate aus der amerikanischen Populärmusik des 19. Jahrhunderts, aber auch aus Werken klassischer Komponisten wie Wagner (Hochzeitsmarsch aus Lohengrin im dritten Satz), und vor allem Beethoven: Das Anfangsmotiv aus dessen Fünfter Sinfonie ist so etwas wie ein Motto der Concord-Sonate. Sein erstes Auftreten im Kopfsatz, gleich nach wenigen Takten, geht bei Ahonen fast völlig unter. Auch findet der durchaus vorhandene und nicht immer leise Humor des Stücks offenkundig bei Ahonen wenig Interesse. Wenn etwa im zweiten Satz, nach allen möglichen rhythmischen und klanglichen Experimenten (Niederdrücken der Tasten mit einem Holzstab) plötzlich im geradlinigsten, geradezu unverschämt auftrumpfenden Dur der Country Band March seine Aufwartung macht, kann man nur von einem veritablen „coup de théâtre“ sprechen. Ahonen hingegen lässt diesen Effekt völlig verpuffen, als wäre er ihm peinlich. Auch gelingt es ihm ebenfalls im zweiten Satz nicht immer, die zugegeben extrem dichte Musik angemessen zu strukturieren, Höhepunkte auch als solche herauszuarbeiten und nicht nur laut klingen zu lassen. Erst im Finale findet Ahonens Interpretation dann zu sich selbst, mit angemessen gemessenem Tempo und geradezu meditativer Versenkung in der Schlussphase. Vielleicht sollte er sich dem Werk nach einigen Jahren nochmals widmen – das pianistische Zeug dazu hätte er auf jeden Fall.
Vermag also diese Interpretation der Concord-Sonate nicht in jedem Takt gleichermaßen zu überzeugen, gibt es an der Violinsonate nichts auszusetzen, im Gegenteil: Ahonen und der Geiger Pekka Kuusisto nähern sich dem Werk mit viel Hingabe und klanglicher Sensibilität, was vor allem im betont langsam genommenen und filigran ausmusizierten zweiten Satz zu wunderschönen Ergebnissen führt.
Thomas Schulz [14.09.2017]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Charles Ives | ||
1 | Violinsonate Nr. 4 (Children's Day at the Camp Meeting) | 00:11:07 |
4 | Violinsonate Nr. 2 (Concord, Mass., 1840-60) | 00:47:04 |
Interpreten der Einspielung
- Joonas Ahonen (Klavier)
- Pekka Kuusisto (Violine)
- Sharon Bezaly (Flöte)