Guitarra mía
Tangos by Gardel and Piazzolla
BIS 2165
1 CD/SACD stereo/surround • 64min • 2016
26.05.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ein ganzes Album von über einer Stunde Spielzeit, gefüllt ausschließlich mit Tangos? Ist das nicht ein wenig zu viel, sollte man die neue Produktion von Franz Halász „Guitarra mía“ nicht besser in kleinen Portionen genießen? Zumindest der Versuch des Rezensenten, alles als Ganzes auf sich wirken zu lassen, ging sehr gut aus, die einzige Bedingung ist freilich, dass man mit diesem spezifischen Idiom von vornherein etwas anfangen kann.
Dem deutschen Gitarristen Franz Halász, der an der Münchner Musikhochschule die erste dortige Gitarrenprofessur bekleidet, gebührt aber auch ein Sonderlob für die Auswahl der insgesamt 18 Stücke, die alle von dem tragisch jung verstorbenen Tangomusiker und Filmstar Carlos Gardel (1890 – 1935) und sowie vom populären Astor Piazzolla stammen. In Bezug auf Stimmung und musikantische Haltung hat Halász nämlich für größte Abwechslung gesorgt: Neben klassischen Beispielen, etwa Criollita de mis amores oder El día que me quieras von Gardel, finden sich Walzer (Vuelvo al sur) von Piazzolla oder auch das titelgebende kleine Stück von Cardel in einer eigenen Bearbeitung von Halász), nervöse, insistierende Nummern ( ´ñ von Piazzolla) und auch eine ganze originale Suite von fünf Stücken des späten Piazzolla, in welchen Tanztypen wie die Habanera den Gestus variieren. Dass er auch eine Reihung von Miniaturen so anzuordnen, zusammenzufassen versteht, dass ein größeres Ganzes dabei entsteht, hatte Halász schon in der hier äußerst positiv besprochenen Einspielung von Werken Frederic Mompous, Miquel Llobets und Joan Manéns demonstriert.
In den übrigen Genrewerken lassen die exzellenten Arrangements mit ihren zahlreichen Effekten wie Tremoli, Flageoletts oder Schlägen auf den Instrumentencorpus kein ermattendes Gleichmaß aufkommen, wenngleich nicht in puncto harmonischer Komplexität, aber in Bezug auf das verwandte Tonmaterial der Vertreter des „nuevo tango“ („neuen Tangos“) Piazzolla in Einzelfällen etwas abgestandener wirkt als Gardel; der alte, noch im Barock omnipräsente Bassgang der Lamento-Quart in Primavera porteña hat sich schon stark abgenutzt, wenn er nicht modifiziert wird, die Harmoniefolge und melodische Teile von La ultima rela kennt man etwa aus dem Jazz-Standard „Fly me to the Moon“ von Bart Howard – wobei womöglich nicht zweifelsfrei geklärt werden kann, welcher der beiden Tonsetzer damit zuerst herauskam.
Das wahre Ereignis dieser Produktion jedoch ist die faszinierende Vortragskunst von Franz Halász. Obwohl er diese Stücke klassisch auffasst und spielt, scheint er durchgehend und unter fast vollständiger Umgehung des instrumentalen Umwegs zu den Hörern zu sprechen oder ihnen mit unwiderstehlicher Expressivität, übrigens gerade in den vielen intimen Stücken, vorzusingen. Das fabelhafte Non-Legato-Spiel macht aus der Gitarre ein gleichermaßen rezitierendes wie melodiöses Instrument, die freie, doch nie kitschig übertrieben Agogik, die geschmackvolle Phrasierung (allein die reizvoll schwebenden Auftakte!), die unglaublich sensible Tongebung Halász´, ja, nicht zuletzt die schiere Tonschönheit des modernen Instrumentes fesselt den Hörer. Er sollte dieses Album nicht als Hintergrundmusik, sondern als Hommage an eine populäre Kunstform rezipieren, deren Ausdrucksfähigkeit im Kleinen an der Kunstmusik geschult ist. Damit ist ja nicht gesagt, dass die nächste diskographische Tat von Franz Halász sich nicht wieder größer dimensionierten, kompositorisch anspruchsvolleren Werken widmen kann.
Prof. Michael B. Weiß [26.05.2017]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Astor Piazzolla | ||
1 | La Muerte del Ángel | 00:03:13 |
Carlos Gardel | ||
2 | Mi Buenos aires querido | 00:03:35 |
Astor Piazzolla | ||
3 | Primavera Porteña | 00:05:23 |
4 | Vuelvo al sur | 00:03:53 |
Carlos Gardel | ||
5 | Guitarra, guitarra mía | 00:02:20 |
Astor Piazzolla | ||
6 | La última grela | 00:04:13 |
Carlos Gardel | ||
7 | Criollita de mis amores | 00:02:31 |
8 | Sus ojos se cerraron | 00:03:21 |
9 | El día que me quieras | 00:03:54 |
Astor Piazzolla | ||
10 | Triunfal | 00:03:00 |
Carlos Gardel | ||
11 | Por una cabeza | 00:02:40 |
12 | Cuando tú no estás | 00:03:59 |
13 | Volver | 00:03:07 |
Astor Piazzolla | ||
14 | Campero (aus: Cinco piezas para guitarra) | 00:03:44 |
15 | Romantico (aus: Cinco piezas para guitarra) | 00:03:50 |
16 | Acentuado (aus: Cinco piezas para guitarra) | 00:03:12 |
17 | Tristón (aus: Cinco piezas para guitarra) | 00:03:48 |
18 | Compadre (aus: Cinco piezas para guitarra) | 00:02:35 |
Interpreten der Einspielung
- Franz Halász (Gitarre)