Op.2
Hartmann • Mendelssohn • Respighi • Schubert
RCA 88985394972
1 CD • 77min • 2016
27.03.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Seine Einspielung des Beethoven-Violinkonzerts stieß im letzten Jahr auf ein überaus positives Echo in der Fachwelt. Leider ging diese ungehört an mir vorüber, wie mir auch der Name Sebastian Bohren bis heute unbekannt war. Was als ein Versäumnis meinerseits gedeutet werden kann, mag aber auch ein Hinweis darauf sein, dass der aus Winterthur stammende und bei Zakhar Bron, Igor Karsko und Ingolf Turban ausgebildete Geiger niemand ist, der seine Karriere mit großem Trara vorantreibt, sondern seine künstlerischen Schritte mit Bedacht und Ruhe plant. Folgerichtig steht seine neue Veröffentlichung auch nicht unter dem Motto „Hoppla, hier komm ich“. Das Programm der mit „Op. 2“ überschriebenen CD ist keines der von Beginn an Aufmerksamkeit und Beifall heischenden Art, sondern ein Programm der feinen Zwischentöne. Sehr hellhörig ausgehorchte Zwischentöne, die als ein immenses Ausdrucksbedürfnis jederzeit hörbar, ja fast schon körperlich erfahrbar sind, ohne dass man den Eindruck gewinnt, Sebastian Bohren und die ebenfalls aus der Schweiz stammenden CHAARTS CHAMBER AARTISTS würden forcieren.
Ob in Mendelssohns Violinkonzert d-Moll, Karl Amadeus Hartmanns Concerto funèbre oder im Rondo A-Dur D 438 von Franz Schubert: Die Interpreten zelebrieren in einer hoch engagierten Musizierhaltung eine gestalterische Leichtigkeit, eine so unaufdringliche und uneitle Kunst, wie sie mir bisher selten begegnet ist. Dass sie dabei auf Augenhöhe musizieren, ist für mich weniger bemerkenswert, als vielmehr der Umstand, dass sich Sebastian Bohren nicht als der außenstehende Solist, sondern – so mein Höreindruck – eher als ein sich in den Gesamtklang integrierendes Ensemblemitglied versteht. Und dass die eingespielten Werke nicht nur Sebastian Bohren eine „Herzensangelegenheit“ sind, wie er im CD-Booklet schreibt, sondern auch schon lange auf der Wunschliste des Ensembles CHAARTS zu stehen scheinen.
Mendelssohns d-Moll-Konzert ist nicht auf Schönklang getrimmt; hörbar historisch informiert setzen die Beteiligten auf Emphase und tauchen sehr beredt in die unterschiedlichen Affekte ein. Dazu kommt eine unbefangen und sich gegenseitig inspirierend wirkende Musizierlust. Sebastian Bohren singt dabei auf seiner Stradivari King George 1710 mit einem wundervollen, aber niemals aufgesetzt wirkenden Ton, vor allem aber mit einer entwaffnenden Natürlichkeit, von der man sich geradezu umarmt fühlt. Das gilt gleichermaßen für die entspannte Wiedergabe des folkloristisch angehauchten Schubert-Rondos.
Bis hierher könnte bei den Lesern vielleicht der Eindruck entstehen, als mangele es bei aller Natürlichkeit und gestalterischen Mühelosigkeit an interpretatorischer Tiefe. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Ich wollte mir diesen Punkt einfach für Hartmanns Concerto funèbre aufsparen, diesem exzessiven Meisterwerk der klassischen Moderne, dessen düstere Atmosphäre, gepaart mit weiten Kantilenen und einer so eloquenten Grundhaltung für sich allein schon ein enormes Spannungspotenzial birgt. Was darüber hinaus wirklich unter die Haut geht, ist Sebastian Bohrens feinsinniges Modellieren des Tons und die Subtilität seiner klanglichen und dynamischen Abstufungen. Auch in der pulsierenden Herangehensweise des klanglich hervorragend disponierten Ensembles CHAARTS geschieht nichts nur beiläufig. Hier wird keine Trauermusik präsentiert; man hört, wie die Beteiligten diese Musik für sich entdecken bzw. erspüren. Und das Ergebnis ist eine interpretatorische Tiefe, die elektrisierender kaum sein könnte.
Geschmeidig und pointiert geht es schließlich in Ottorino Respighis Suite Nr. 3 seiner Antiche danze ed arie zu. Wie die CHAARTS CHAMBER AARTISTS diese raffinierten Bearbeitungen von Lauten-Sätzen aus dem italienischen Frühbarock ungehindert dahinströmen lassen, ihnen nichts Exzentrisches aufzwingen und gleichzeitig eine faszinierende klangliche Variabilität an den Tag legen, ist ein Genuss – und die ganze CD ein wahrer Ohrenschmaus.
Christof Jetzschke [27.03.2017]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
1 | Konzert d-Moll für Violine und Streichorchester | 00:22:47 |
Karl Amadeus Hartmann | ||
4 | Concerto funèbre für Violine und Streichorchester | 00:23:11 |
Ottorino Respighi | ||
8 | Antiche Danze ed Arie per Liuto (Suite Nr. 3) | 00:15:36 |
Franz Schubert | ||
12 | Rondo A-Dur D 438 für Violine und Streichorchester | 00:15:16 |
Interpreten der Einspielung
- Sebastian Bohren (Violine)
- Chaarts Chamber Aartists (Ensemble)