Haochen Zhang
Schumann • Liszt • Janáček • Brahms
BIS 2238
1 CD/SACD stereo/surround • 66min • 2016
22.03.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Intimität und Introvertiertheit sind die schönen Schlag- oder genauer gesagt: Streichelwörter, mit denen der 26jährige, aus Shanghai stammende Pianist Haochen Zhang sein musikalisches Beginnen im Begleitheft erläutert. Er distanziert sich damit energisch von ratternden, in Grenzbereichen manueller Geschwindigkeit um Aufmerksamkeit buhlenden Kollegen. Und dabei kommt ihm das gewählte Repertoire seiner ersten (?) BIS-CD entgegen, denn weder mit den Kinderszenen von Schumann, noch mit den Intermezzi op. 117 von Brahms kann man Punkte im Bereich von Sportlichkeit und Schallmauerpianistik einheimsen.
Haochen Zhang studierte zuletzt bei Gary Graffman am Curtis Institut in Philadelphia – eine erste Adresse musikalischen und klaviertechnischen Verantwortungsbewusstseins. Graffman, der in seinen frühen, sozusagen „gesunden“ Zeiten mit Werken von Rachmaninoff und Prokofieff überzeugte, hat in späteren Jahren – das kann ich bezeugen – zu einem stilleren, defensiveren musikalischen Denken gefunden. Und Zhang dürfte davon profitiert haben. Umso erstaunlicher ist es, dass dieser gewissermaßen fanatische Klavierträumer den zumeist auf technische Maximal-Virtuosen ausgelegten Van Cliburn-Wettbewerb im texanischen Fort Worth gewinnen konnte. Zusammen mit dem blinden, phänomenalen japanischen Pianisten Nobuyuki Tsujii, mit dem er sich den ersten Preis teilte. Schaut man sich die Liste der Preisträger seit dem Jahr 1962 an, dann fällt, was Introvertiertheit und rein pianistisch-materiale Unauffälligkeit anbelangt, der Name Radu Lupu ins hörende Auge. Er gewann die Konkurrenz 1966 und er setzt sich seither mit all seinen Qualitäten deutlich von siegreichen Muskelmusikern wie Alexei Sultanov (1989), Jon Nakamatsu (1997), Alexander Kobrin (2005) oder Vadym Kholodenko (2013) ab.
Zhang erzählt die Kinderszenen mit aller Vorsicht, konzentriert sich auf die feinen, nachdenklichen Wendungen. Wenn nötig beschleunigt er, wie etwa im friedlichen Verfolgungswahn des „Hasche-Mann“. Freilich kann man die „Träumerei“ raffinierter, im Zusammenspiel von linker und rechter Hand etwas „inegaler“ intonieren, also hauchen, verheimlichen und damit szenisch intensiver ausgestalten. Ich denke da an Horowitz‘ späte Konzertdarbietungen in Moskau und Wien. Aber Zhang gelingt es, das „Fürchtenmachen“ ebenso bildhaft in Klang und damit auch die entsprechende Bewegtheit szenisch umzusetzen wie am Ende den Dichter einprägsam sprechen zu lassen.
Im Bereich der defensiven Programmdramaturgie sticht die h-Moll-Ballade von Liszt mit ihren dramatischen und klavieristisch brillanten Passagen deutlich heraus. Zhang weiß – wie mir scheint – fast immer, was er tut! Er gönnt sich Muße in den berührenden Episoden, er favorisiert den lyrischen Liszt.. Misslungen jedoch ist ihm der Beginn mit den wallenden, auf- und abwärts grollenden Skalen der linken Hand, wie sie ja auch in der Franziskus-Legende Nr. 2 zunächst tonangebend sind. Hier fädelt Zhang ein undeutliches Gemurmel ein, ein fernes Grundrauschen ohne jede bildliche Aussagekraft. Unübertroffen in solchen und ähnlichen Momenten: György Cziffra!
Vergleichseinspielungen : Liszt: Andsnes (EMI 557002 2), Horowitz (Great Pianists Philips 456 844-2 ), Bolet (Decca 411 803-2),
Ciccolini (EMI 50999 685824 2 5 CD 6), Cziffra (EMI 50999 213251 2 bzw. EMI CDM 4 789722 2), von Károlyi (Odeon/Electrola LP 80 649), Arrau (Philips 432 305-2), Lewenthal (Angel /EMI LP S-36079), Nyiregyházi (Telefunken LP 6.42626 AW), Berrut (Aparte 137).
Peter Cossé † [22.03.2017]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Robert Schumann | ||
1 | Von fremden Ländern und Menschen op. 15 Nr. 1 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:31 |
2 | Kuriose Geschichte op. 15 Nr. 2 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:13 |
3 | Hasche-Mann op. 15 Nr. 3 (1838 - Kinderszenen) | 00:00:32 |
4 | Bittendes Kind op. 15 Nr. 4 (Kinderszenen op. 15) | 00:00:51 |
5 | Glückes genug op. 15 Nr. 5 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:15 |
6 | Wichtige Begebenheit op. 15 Nr. 6 (Kinderszenen op. 15) | 00:00:52 |
7 | Träumerei op. 15 Nr. 7 (Kinderszenen op. 15) | 00:02:21 |
8 | Am Kamin op. 15 Nr. 8 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:05 |
9 | Ritter vom Steckenpferd op. 15 Nr. 9 (Kinderszenen op. 15) | 00:00:38 |
10 | Fast zu ernst op. 15 Nr. 10 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:36 |
11 | Fürchtenmachen op. 15 Nr. 11 (Kinderszenen op. 15) | 00:01:49 |
12 | Kind im Einschlummern op. 15 Nr. 12 (Kinderszenen op. 15) | 00:02:16 |
13 | Der Dichter spricht op. 15 Nr. 13 (Kinderszenen op. 15) | 00:02:17 |
Franz Liszt | ||
14 | Ballade Nr. 2 h-Moll S 171 | 00:13:52 |
Leoš Janáček | ||
15 | Klaviersonate 1.X.1905 - Von der Straße es-Moll | 00:13:55 |
Johannes Brahms | ||
17 | Intermezzo Es-Dur op. 117 Nr. 1 | 00:06:00 |
18 | Intermezzo b-Moll op. 117 Nr. 2 | 00:04:31 |
19 | Intermezzo cis-Moll op. 117 Nr. 3 | 00:07:18 |
Interpreten der Einspielung
- Haochen Zhang (Klavier)