cpo 777 819-2
1 CD • 60min • 2012
31.12.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Fachwelt staunte nicht schlecht, als das Darmstädter Theater 2010 ein unbekanntes Jugendwerk von Carl Orff mit einer Verspätung von einem ganzen Jahrhundert zur Uraufführung brachte: Gisei (Das Opfer) hieß die Oper des erst 17jährigen Komponisten, der gerade Claude Debussy und seinen Librettisten Maurice Maeterlinck als Leitbilder für sein musiktheatralisches Wollen entdeckt hatte. Später konnte er über diese Jugendsünde nur noch mitleidig lächeln und er hütete sich wohl, sich um eine Aufführung zu bemühen.
Das dem Werk zugrunde liegende Drama „Terakoya“ (Die Dorfschule) von Takedo Izumo, im frühen 18. Jahrhundert entstanden, kam 1900 – auf dem Höhepunkt der europäischen Japan-Mode, – in einer deutschen Übersetzung von Karl Florenz heraus. Der junge Orff war nicht nur von der gnadenlosen Härte des Sujets fasziniert, sondern auch von dem fernöstlichen Kolorit, richtete das Stück selbst fürs Musiktheater ein und ergänzte es um einen Prolog in der symbolistischen Manier Maeterlincks.
Es geht darin um Matsuo, einen hohen Beamten, der an der Ermordung seines Kanzlers Mitschuld trägt und sich dann auf die Seite des Usurpators schlägt. Den Sohn seines ehemaligen Chefs bringt er vor den Häschern des neuen bei einem Dorfschullehrer in Sicherheit, der ihn als sein eigenes Kind aufzieht. Doch irgendwann fliegt die Geschichte auf, und als der Befehl ergeht, den Knaben zu töten, opfert Matsuo sein eigenes Kind, das mit dem anderen eine verblüffende Ähnlichkeit hat.
Das einstündige Werk, obgleich es den reifen Orff noch kaum erkennen lässt, zeugt von einem ausgeprägten Bühneninstinkt. Die Handlung ist packend aufgebaut, die Figuren bleiben absichtsvoll gesichtslos und äußern sich in einem spröden Sprechgesang, der kein melodisches Ausschweifen kennt. Aber das Orchester schillert in den buntesten Farben, schafft Spannung und Atmosphäre.
An der Deutschen Oper Berlin, wo Gisei zwei Jahre nach der Darmstädter Premiere konzertant herauskam, und zwar in Kombination mit einer Vertonung der selben Vorlage durch Felix von Weingartner, tun Jacques Lacombe und die Musiker alles, der hohen Begabung des jungen Orff in Hinblick auf die Orchestrierung gerecht zu werden. Man hört auch der Konserve, die Theateratmosphäre vermittelt, gebannt zu. Alle Rollen sind adäquat besetzt, wobei die Baritonisten Ryan McKinny und Markus Brück und die Mezzosopranistinnen Ulrike Helzel und Elena Zhidkova als die Eltern der Kinder deutliches Profil gewinnen können.
Ekkehard Pluta [31.12.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Carl Orff | ||
1 | Gisei - Das Opfer op. 20 (Musikdrama) | 01:00:26 |
Interpreten der Einspielung
- Kathryn Lewek (Kwan Shusai, Sohn des ermordeten Kanzlers Michizane - Sopran)
- Ryan McKinny (Genzo, Lehrer in Seryo - Bariton)
- Ulrike Helzel (Tonami, Genzos Weib - Mezzosopran)
- Markus Brück (Matsuo, ehemals Vasall des Kanzlers Michizane - Bariton)
- Elena Zhidkova (Chiyo, Matsuos Weib - Sopran)
- Jana Kurucová (Kotaro, Matsuos und Chiyos Sohn - Mezzosopran)
- Burkhard Ulrich (Gemba, Kammerherr in Tokihiras Dienst - Tenor)
- Chor der Deutschen Oper Berlin (Chor)
- Orchester der Deutschen Oper Berlin (Orchester)
- Jacques Lacombe (Dirigent)