BIS 2100
1 CD/SACD stereo/surround • 58min • 2014
16.09.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wer hätte das gedacht?! Die Frage richtet sich an all jene, die mit den beiden Liszt-Klavierkonzerten und natürlich auch mit der überschaubaren Anzahl der „Malédicition“-Einspielungen vertraut sind. Denn im Umkreis der Konzerte in Es-Dur und in A-Dur ist der internationale Katalog wahrlich reich bestückt. Und aus meiner persönlichen Perspektive heraus, wage ich in diesem Bereich von einer Modellaufnahme zu sprechen. Gemeint ist die Philips-Aufnahme mit Sviatoslav Richter mit dem schon in den ersten Takten unvergleichlich vibrierenden, fordernden London Symphony Orchestra unter der Leitung von Kyrill Kondrashin. Doch zurück zur eingangs gestellten Frage und nun prompt auch zu ihrer Beantwortung. Denn der 1997 geborene – also gerade 18jährige! – Alexander Kantorow erweist sich im Zusammenspiel mit dem fulminant auftrumpfenden und zugleich fabelhaft differenziert agierenden Tapiola Symphonikern als ein Gestalter von höchsten manuellen, gedanklichen und emotionalen Graden.
Dem u. a. von Jacques Rouvier, Georges Pludermacher und Jean-Philippe Collard (aus)gebildeten Pianisten gelingt schon mit den ersten Oktaven ein äußerst kraftvoller, zugleich aber auch – besonders im Unterschied zur rabiateren Martha Argerich – prächtig ordnender Einstieg in das Es-Dur-Konzert. Auffallend, dass der Sohn des Geigers und Dirigenten Jean-Jacques Kantorow vor dem Einsatz speziell technisch formulierter Passagen kleine Denkpausen einlegt, das heißt: er versucht die unterschiedlichen Wegstrecken der kadenzartigen Klaviereinleitung zu strukturieren. Beim ersten Hören empfand ich das ähnlich wie in der neuen Grieg-Einspielung des deutschen Pianisten Joseph Moog (Onyx 4144) ein wenig affektiert. Aber wie so oft, lohnt es sich, ein wenig geduldiger zu hören und in diesem Sinne auch ein zweites Mal lauschend gleichsam nachzulesen. Und da wurde mir klar, wie umsichtig der junge Kantorow diese verzögernden, genauer gesagt: hinweisenden, um Aufmerksamkeit werbenden Akzente setzt. Sie also zum Ausgangspunkt erklärt, wenn man will: zu musikalischen Startblöcken veredelt, aus denen er pianistisch loslegt und in den schnellen Wegstrecken der beiden Konzerte mit großer Klarheit und auch im schnellsten Tempo mit schönem Klavierklang für elastische Betriebsamkeit bürgt.
Im Fall der Malédicition-Studie für Klavier und Streicher zögere ich nicht, von der absolut stärksten, plastischsten, aber auch feinnervigsten Einspielung des mir bekannten LP- und CD-Repertoires zu schwärmen. Packend Kantorows Zugriff in den kantigen Momenten, vital sein Verhalten in den rhythmisch sprunghaften Episoden, bemerkenswert darüber hinaus das musikantische Vater/Sohn-Verhältnis, denn offensichtlich stand das gesamt Unternehmen unter einem günstigen familiären Stern.
Mit dieser Produktion erlaube ich mir, die Tapiola Sinfonietta im Kreis der führenden Orchester zu begrüßen. Der volle, urgesunde Gesamtklang in den wuchtigen Tuttis, aber auch die quasi solistischen Leistungen in den beiden Konzerten sind von bemerkenswerter kantabler und kammermusikalischer Reife. All diese Qualitäten kommen freilich ungebremst zur Geltung, weil hier die Aufnahmetechnik (Toningenieur Jens Braun) räumlich und punktuell brillante Arbeit geleistet hat.
Vergleichseinspielungen Klavierkonzerte Nr. 1 und 2: Farnady – Scherchen (Westminster LP WL 5168), Brendel – Gielen (Preiser Records 90064), Brendel –Haitink (Philips 446 924-2), von Károly –Kertesz (EMI LP 29 0734 1), Richter – Kondrashin (Philips 412 006-2), Cziffra – Cziffra jun.(EMI 7476402), Cziffra – Vandernoot (EMI 50999 213251 2), Zimerman Krystian – Ozawa (DG 423 571-2), Kocsis – I. Fischer (Philips 422 380-2), von Sauer – Weingartner (Pearl GEMM 9403); Klavierkonzert Nr. 1: Argerich – Abbado ((Great Pianists Philips 456 700-2);.Malédiction: Béroff – Masur (EMI LP 1 C 157-03866/68), Bingham – Reichert (EMI /Electrola LP 1 C 065-99843), Bolet – I. Fischer (Decca 478 2373), Banfield – Goritzki (Venus 06113), Nosikova – LaRue (Hänssler PH 09028), Kauten – Medveczky (Sony 88697 98466 2), Howard - Rickenbacher Budapest SO, Jandó – A. Ligeti (Laserlight /Delta 14 011), Ponti – Angerer (Vox/Turnabout LP TV 34740), Crismani – T. Sanderling (RS 6367-10)
Peter Cossé † [16.09.2015]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Liszt | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur S 124 | 00:19:08 |
5 | Malédiction e-Moll op. 452 S 121 | 00:15:44 |
7 | Konzert Nr. 2 A-Dur S 125 für Klavier und Orchester | 00:22:19 |
Interpreten der Einspielung
- Alexandre Kantorow (Klavier)
- Tapiola Sinfonietta (Orchester)
- Jean-Jacques Kantorow (Dirigent)