Ondine ODE 1271-2D
2 CD • 83min • 2014
15.07.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der momentane Verdacht, es sei Lars Vogt und den Geschwistern Tetzlaff bei ihrem gemeinsamen Brahms darum zu tun gewesen, das übliche Erscheinungsbild des hamburgischen Wieners aus purem Mutwillen gegen den Strich zu bürsten und ihn ohne Rücksicht auf eventuelle Gemütlichkeitsverluste ins Zwielicht zu bugsieren – dieser Verdacht verliert sich bereits nach wenigen Takten des C-Dur-Trios op. 87, mit dem die erste CD insofern sinnigerweise beginnt, als das revidierte Opus 8 (auf der zweiten Scheibe) jünger ist als die späteren Gefährten der Jahre 1882 und 1886. Offenbar handelt es sich hier also nicht um einen aufführungspraktischen Repertoirestreich nach dem Motto „wenn’s alle tun, machen wir’s anders”, sondern um das Resultat einer intensiven Beschäftigung mit der Musik eines Komponisten, von dessen Sehnsüchten, Hoffnungen, Ahnungen und Resignationen wir uns bis heute vielleicht nur deshalb ein bloß schemenhaftes Bild machen wollen, weil er uns zu sehr an eigene Verwehungen und Verschüttungen erinnern könnte.
Das Vogt-Tetzlaff-Trio scheut sich nicht, diese Räume zu betreten. Die drei Musiker fahren, so kommt es mir vor, in dieselbe seelische Grube ein, aus dem Bastian Balthasar Bux unter Anleitung des blinden Bergmannes Yor die unendlich zarten, feinen, zerbrechlichen Bilder seiner Träume ans Licht fördert. Scherzi wie Geisterreigen und Phantasmagorien, in deren Mittelteilen sich nostalgische Erinnerungen an grüne Matten und murmelnde Bergbäche ausbreiten; Adagios voll sinnlicher Kantilenen und heimlich wispernder Dialoge; und in den Ecksätzen dramatische Interaktionen von einer dynamisch und agogisch erlesenen Geschliffenheit, die niemals gewollt oder aufgesetzt wirkt: Hier schimmern aus der Tiefe intime Stimmen und Briefstellen herauf, offenbaren sich Verästelungen und privateste Mitteilungen, die womöglich genau so und nicht anders gemeint waren, bevor sie an die Öffentlichkeit kamen und dieser mit einer leicht polierten Oberfläche überlassen wurden.
Es it aber keineswegs so, dass uns Tanja & Christian Tetzlaff im Verein mit Lars Vogt hier etwa eine larmoyante, peinliche Nabelschau („er hatte eine schwere Kindheit”) vorführen. Nicht einmal die wehmütige, übrigens hinreißend vorgetragene Kantilene aus dem Adagio des neuen Opus 8 vergießt jene Art der Tränen, unter deren Schleier sich das Luchsauge des „Weinenden” auf die vorschriftsmäßig erschütterte Umgebung richtet: Eine enorme, wieder ganz aus dem Innern der Werke begründete Spannung durchzieht die Ereignisse, um sich überall dort massiv zu entladen, wo auch nur der leiseste Hauch von Selbstmitleid aufkommen könnte. Weshalb man denn auch erfrischt und bereichert aus diesen anderthalb kurzweiligen Stunden hervorgeht.
Rasmus van Rijn [15.07.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Klaviertrio Nr. 2 C-Dur op. 87 | 00:28:09 |
5 | Klaviertrio Nr. 3 c-Moll op. 101 | 00:20:27 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Klaviertrio Nr. 1 H-Dur op. 8 | 00:34:24 |
Interpreten der Einspielung
- Christian Tetzlaff (Violine)
- Tanja Tetzlaff (Violoncello)
- Lars Vogt (Klavier)