Johannes Brahms Klavierwerke

hänssler CLASSIC 98.048
1 CD • 77min • 2012
23.02.2015
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn eine verhältnismässig junge Pianistin wie die 36jährige Sophie-Mayuko Vetter sich einem eher verschlossenen Alterskosmos wie den drei letzten Klaviersammlungen von Johannes Brahms zuwendet, braucht es einigen Mut. Offenbar jedoch und nicht zu Unrecht fühlt sich die deutsch-japanische Künstlerin ihrer interpretatorischen Mittel sicher. Geht es hier doch um tönende Monologe, wie schon der Brahms-Intimus Eduard Hanslick festgestellt hatte; der Komponist selber sprach von „Wiegenliedern meiner Schmerzen“. Sophie-Mayuko Vetter steht zwar voll und ganz zur Verhangenheit dieser Kreationen, aber sie will sie nicht in Düsternis versinken lassen. Anders gesagt: sie bringt eine gewisse Helligkeit in diese Musik, einen improvisatorischen Zug sogar – ein Feld, das ihr gut vertraut ist. Das Dunkle gewinnt so etwas wie Lockerheit, man mag es auch Unbefangenheit nennen. Eine akzeptable Sicht auf Brahms’ introvertiertes Spätwerk.
Dazu passt, dass die Pianistin quasi als Folie um die Opera 117, 118, 119 eine Reihe von kurzen Frühversuchen des knapp zwanzigjährigen Brahms fügt. Die Differenz, gerade in solch einer Darstellung, ist keineswegs so groß, wie man mutmaßen mag. Peter Gülke spricht in seinem klugen CD-Einführungstext beide Male von „privater Musik“ – hier jene des suchenden Jünglings, dort jene des resignierenden Frühgreises. Sophie-Mayuko Vetter geht auch hier unkompliziert ans Werk – eine Künstlerin, die die Nüance auf kleinem Raum schätzt. Schlichtes wirkt bei ihr nicht simpel, sondern natürlich.
In den erwähnten Spätschöpfungen überwiegen die langsamen Zeitmaße. Kein Problem für die Pianistin, die eben nicht die große Geste braucht, um sich einzubringen. Also gerade hier: innere Belebtheit auf beschränktem Raum, Schmucklosigkeit nicht ohne emotionale Tiefenwirkung. Und wie geht die Künstlerin mit den beiden doch eher überraschenden Schlusssätzen in Brahms’ letzter Klavierschöpfung des Opus 119 um? Sie wendet das „Brevier des Pessimismus“ (auch das ein Hanslick-Ausspruch) ins Spielerische des leichtfüßigen „gracioso e giocoso“-Satzes und lässt im vollgriffigen Allegro risoluto-Ausklang der Es-Dur-Rhapsodie die melancholischen Untertöne zumindest diskret durchschimmern.
Mario Gerteis † [23.02.2015]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johannes Brahms | ||
1 | Klavierstück B-Dur | 00:00:58 |
2 | Albumblatt a-Moll | 00:02:20 |
3 | Intermezzo h-Moll op. 119 Nr. 1 | 00:03:46 |
4 | Intermezzo e-Moll op. 119 Nr. 2 | 00:07:14 |
5 | Intermezzo C-Dur op. 119 Nr. 3 | 00:02:03 |
6 | Rhapsodie Es-Dur op. 119 Nr. 4 | 00:06:07 |
7 | Intermezzo a-Moll op. 118 Nr. 1 | 00:02:06 |
8 | Intermezzo A-Dur op. 118 Nr. 2 | 00:06:25 |
9 | Ballade g-Moll op. 118 Nr. 3 | 00:03:34 |
10 | Intermezzo f-Moll op. 118 Nr. 4 | 00:02:59 |
11 | Romanze F-Dur op. 118 Nr. 5 | 00:04:29 |
12 | Intermezzo es-Moll op. 118 Nr. 6 | 00:07:01 |
13 | Intermezzo Es-Dur op. 117 Nr. 1 | 00:06:00 |
14 | Intermezzo b-Moll op. 117 Nr. 2 | 00:06:16 |
15 | Intermezzo cis-Moll op. 117 Nr. 3 | 00:07:15 |
16 | Kanon f-Moll | 00:01:00 |
17 | Sarabande Nr. 1 a-Moll WoO 5 | 00:02:52 |
18 | Gavotte Nr. 1 WoO 3 | 00:01:25 |
19 | Gavotte Nr. 2 WoO 3 | 00:02:37 |
Interpreten der Einspielung
- Sophie-Mayuko Vetter (Klavier)