cpo 777 842-2
2 CD • 1h 57min • 2012
11.11.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der „Wiener Offenbach“, so wurde Franz von Suppé manchmal genannt – eine Bezeichnung, die bei weitem nicht das Eigentliche und Wesentliche dieses außerordentlichen Musikers trifft. Denn der gebürtige Dalmatiner Francesco Ezechiele Ermenegildo de Suppé Demelli, so sein vollständiger Name, neigte als Komponist weit mehr zur italienischen als zur französischen Sphäre. Das war schon durch seine halb-italienische Herkunft bedingt, ebenso auch durch seine – allerdings nicht zuverlässig erwiesene – Verwandtschaft mit dem Komponisten Donizetti. Suppé hat ein immens großes Werk hinterlassen, er schuf die Musik zu mehr als 200 Bühnenwerken: Operetten, Singspiele, alle Arten von Bühnenmusik, ja sogar Opern. Dass er auch Kirchenmusik komponiert hat, ist wohl nicht so bekannt, denn einem Meister der „leichten Muse" will man Werke der Ernsthaftigkeit und der Besinnlichkeit nicht so recht zutrauen. Und doch führte der Ausbildungsweg zum Musiker damals fast immer über die Kirchenmusik. Auch von Johann Strauß-Sohn weiß man, dass er sakrale Stücke komponiert hat. Das kirchenmusikalische Hauptwerke Suppés ist neben der früh entstandenen Missa dalmatica sein Requiem (Missa pro defunctis) aus dem Jahr 1855. Geschrieben wurde die Totenmesse zum Gedenken an den Wiener Theaterdirektor Franz Pokorny, dem Suppé viele Wohltaten zu verdanken hatte. Erst spät hat sich das groß angelegte, anspruchsvolle Werk für Kirchen- und Konzertaufführungen durchgesetzt – allerdings bei weitem nicht in jenem Maße, die seinem Wert entspräche.
Suppés Requiem ist durch und durch italienische Musik, dramatisch, effektvoll, melodiös, mit brillanten Vokalsoli ausgestattet und sicherlich in gewissem Sinn opernhaft. In vielen Momenten drängt sich der Vergleich mit Verdis Messa da requiem auf, obwohl es eine ganze Zeitspanne früher entstanden ist. Ein hochinteressantes Werk, das den Komponisten als profunden Satztechniker ausweist, der mit Fugen locker umzugehen weiß. Die Anforderungen für die Realisierung sind ziemlich hoch, da sich darin manche verzwickte Details finden, etwa der ungewöhnliche 15/8-Takt im Tuba mirum.
Vor kurzem wurde in Suppés Nachlaß, der in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek verwahrt wird, eine erweiterte Fassung des Requiems aufgefunden: ohne eine Veränderung in der Komposition vorzunehmen, wurden in den liturgischen Text elf rezitativisch-ariose Solo-Gesänge eingeflochten, wodurch sich das opus auf die Länge von fast zwei Stunden erweitert und die Gestalt eines Oratoriums annimmt. Die Texte dazu stammen von dem Wiener Theaterdichter und Suppé-Zeitgenossen Otto Prechtler und wurden in lateinischer Übersetzung vertont. Auch in diesen nachkomponierten Sequenzen offenbart sich der Komponist als tief empfindender und phantasievoller Musikdramatiker.
In Graz wurde nun zum ersten Mal diese Trouvaille zur Aufführung gebracht und für cpo eingespielt. Suppés Pokorny-Requiem ist bereits durch mehrere Tonaufnahmen bekannt, das Oratorium Extremum judicium erscheint jedoch als Erstveröffentlichung. Dem aufgefundenen Werk ist weite Aufmerksamkeit zu wünschen, weil man damit einen herausragenden Vertreter der „goldenen" Wiener Operettenära von einer ganz anderen und beachtenswerten Seite kennen lernt.
Die Aufführung ist durchwegs befriedigend, wenn auch die beiden Aufnahmestätten – teils im Kirchenraum, teils im Opernhaus – zu differierenden Klangeindrücken führen. Das Orchester ist oft viel zu laut, drängt die Chorstimmen in den Hintergrund. Die Wiedergabe unter Adriano Martinolli d'Arcy dem Grazer Philharmonischen Orchester und dem Grazer Opernchor zeichnet sich ansonsten durch Sorgfalt und Innigkeit der Wiedergabe aus. Aus dem tüchtigen und reich beschäftigten Vokalquartett leuchten namentlich die schönen Stimmen von Sopran (Margareta Klobuar) und Alt (Dshamilja Kaiser) hervor.
Clemens Höslinger [11.11.2013]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz von Suppé | ||
1 | Extremum Judicium |
Interpreten der Einspielung
- Dshamilja Kaiser (Alt)
- Margareta Klobučar (Sopran)
- Wilfried Zelinka (Bass)
- Taylan Reinhard (Tenor)
- Chor der Oper Graz (Chor)
- Extrachor der Oper Graz (Chor)
- Grazer Philharmonisches Orchester (Orchester)
- Adriano Martinolli d'Arcy (Dirigent)