Erich J. Wolff
Ein solcher ist mein Freund Hafis-Gesänge, Tänze. Lieder und Melodrame
Thorofon CTH 2586
1 CD • 80min • 2010
12.03.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Kaum zu glauben, dass der zu seiner Zeit berühmte Komponist Erich J. Wolff (1874-1913), der mehr als 180 Liedkompositionen hinterlassen hat, nur wenige Jahre nach seinem frühen Tode so gänzlich in Vergessenheit geraten konnte. Der gebürtige Wiener, der mit Arnold Schönberg und Alexander von Zemlinsky befreundet und als Begleiter der bedeutendsten Sänger seiner Zeit sehr gefragt war, darf zwar nicht unbedingt zu den Neuerern auf dem Gebiete der Liedkunst gerechnet werden, lässt vielmehr klar seine Verwurzelung in der Tradition des 19. Jahrhunderts erkennen, aber er war ein überaus versierter, stilistisch vielseitiger Handwerker, dem künstlerische Inspiration und Eigenständigkeit nicht abzusprechen sind.
Nach dem Doppelalbum „Märchenträume – furchtbar schlimm!“ stellen die Sopranistin Rebecca Broberg und das Label Thorofon den vergessenen Komponisten nun zum zweiten Mal ins rechte Licht. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die posthum erschienenen 14 Gesänge auf Gedichte von Hafis, in denen sich eingängige Melodik mit differenzierter Harmonik und dezenten Orientalismen verbindet. In den 13 ausgewählten Liedern auf Texte von Goethe, Hölderlin, Uhland und aus Des Knaben Wunderhorn pflegt Wolff einen einfachen Volkston in der Gesangsstimme bei wiederum moderner Harmonik in der Begleitung. Hier sind Vergleiche mit gleichzeitigen Kompositionen Gustav Mahlers und Franz Schrekers naheliegend. Zwei Melodramen aus der Welt Pierrots weisen inhaltliche Parallelen zu Arnold Schönbergs Pierrot lunaire auf. Ergänzt wird das vorliegende Lied-Recital durch sechs Tänze für Klavier zu vier Händen, in denen sich Wolffs Herkommen aus der Donaumonarchie manifestiert.
Rebecca Broberg, deren Sopran hier fast ausschließlich in der Mittellage gefordert wird, ist Wolffs Liedschaffen eine überaus eloquente Anwältin. Sie gestaltet die Texte außerordentlich plastisch und mit Einfühlung in ihren poetischen Gehalt und formt die Gesangslinien ausdrucksstark mit ihrer warmen, gelegentlich sinnlich aufblühenden Stimme. Ihre Affinität zur deutschen Sprache stellt die Amerikanerin dann in den beiden Melodramen Intermezzo und Finale unter Beweis, die einem damals bekannten Berliner Schauspieler und Rezitator gewidmet waren, wo sie also nicht als Sängerin, sondern als Sprecherin gefordert ist. Die Lieder werden durchweg von der hochbegabten, zum Zeitpunkt der Aufnahme erst 23 Jahre alten Pianistin Ilona Weimer begleitet, die dem Klavierpart markante Konturen gibt. Auf dem Konzertflügel E-272 der Bayreuther Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne klingt jeder Ton wie gemeißelt und die Klangbalance zur Singstimme ist ausgezeichnet. Das vorzügliche umfangreiche Booklet mit einem ausführlichen Essay des Musikwissenschaftlers und Regisseurs Peter P. Pachl, der zugleich Produzent der Aufnahmen ist, trägt wesentlich zur nachhaltigen Rehabilitierung des verkannten Komponisten Erich J. Wolff bei.
Ekkehard Pluta [12.03.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Erich J. Wolff | ||
1 | Horch, hörst du nicht vom Himmel her? | 00:01:14 |
2 | Entzücket dich ein Wunderhauch? | 00:01:42 |
3 | Ach wie süß sie duftet! | 00:01:54 |
4 | Bittres mir zu sagen, denkst du | 00:01:26 |
5 | Wie ist der Ort an dem du weilst? | 00:02:37 |
6 | Viel bin ich umhergewandert | 00:01:46 |
7 | Es werde Licht | 00:01:17 |
8 | Ein solcher ist mein Freund | 00:02:51 |
9 | O hättest du! | 00:02:31 |
10 | Meine Lebenszeit verstreicht | 00:02:01 |
11 | O wie süß ein Duft von oben | 00:02:13 |
12 | Schön wie Thirza bist du | 00:03:00 |
13 | Stark wie der Tod ist die Liebe | 00:01:27 |
14 | Wie Melodie aus reiner Sphäre hör' ich | 00:03:09 |
15 | Walzer op. 4 Nr. 1 – In ruhigem Walzertempo, mit Grazie | 00:01:21 |
16 | Walzer op. 4 Nr. 2 – Ziemlich bewegt | 00:01:06 |
17 | Negertanz op. 4 Nr. 3 – Nicht zu schnell | 00:01:57 |
18 | Scheiden op. post. 2 | 00:02:22 |
19 | Lied der bretonischen Fischermaid op. 18 Nr. 2 | 00:03:05 |
20 | Meeresstille op. 15 Nr. 3 | 00:02:37 |
21 | Hyperions Schicksalslied op. 10 Nr. 1 | 00:03:49 |
22 | Soll ich denn sterben? op. post. 49 | 00:01:56 |
23 | Marienruf op. post. 36 | 00:01:32 |
24 | Verspätung op. post. 40 | 00:04:32 |
25 | Schönster Herr Jesu! op. post. 45 | 00:03:40 |
26 | Venedig op. post. 48 | 00:02:17 |
27 | Der süße Schlaf, der sonst stillt alles wohl op. post. 14 | 00:01:21 |
28 | Wer hat's Leben erdacht? op. post. 80 | 00:01:36 |
29 | Der Trauernde op. post. 39 | 00:01:56 |
30 | Friede op. post. 1 | 00:02:06 |
31 | Mazurka op. 4 Nr. 4 – Tempo di Mazurka | 00:01:15 |
32 | Walzer op. 4 Nr. 5 – Sehr ruhig, mit tiefer Empfindung | 00:02:19 |
33 | Slavischer Tanz op. 4 Nr. 6 – Sehr bewegt | 00:02:20 |
34 | Intermezzo (Melodram) | 00:02:15 |
35 | Finale (Melodram) | 00:05:11 |
Interpreten der Einspielung
- Rebecca Broberg (Sopran)
- Ilona Weimer (Klavier)
- Ulrich Urban (Klavier)
- Jerome Weiss (Klavier)