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Besprechung CD

cpo 777 663-2

1 CD • 72min • 2010

29.08.2011

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Michael Korstick hat seine Einspielung von Liszts Années de Pelerinages komplettiert: neben dem letzten Teil des Triptychons enthält seine neue CD auch Venezia e Napoli, das Bindeglied zum Vorgänger. Im dritten Band der „Pilgerjahre" hat Liszt seinem geographisches Konzept eine spirituelle Ebene hinzugefügt, insgesamt aber – mit Ausnahme der wahrlich süffigen Jeux d'eau á la Villa d'Este – ein eher schmuckloses, ja sperriges Opus geschaffen, das vom Interpreten ein hohes Maß an geistiger Reife und intellektueller Durchdringung erfordert. Korstick erweist sich in diesen kargen Landschaften ein weiteres Mal als enorm seriöser Pianist, dessen von immensem Gestaltungswillen aufgeladener Zugang zur Musik und zum Instrument aller Ehren wert ist. Seine Interpretation punktet durch hochkonzentrierte Geradlinigkeit, die niemals den Versuch unternimmt, das zum Teil arg knöcherne Gerüst der Komposition mit pianistischen Tricks aufzufetten. Und im hörerfreundlicheren, viel weltlicheren Venezia e Napoli, vor allem in der finalen Tarantella, vermischt sich Liszts mediterranes Flair überzeugend mit Korsticks rationalem Zugriff.

Bei intensiverer Beschäftigung mit der CD kann man sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kompromisslosigkeit des Pianisten allmählich Züge von Besessenheit annimmt, denn sein Anschlag ist stählern und stellenweise von grimmiger Härte – das einzige Manko dieser Aufnahme, doch in welchem Umfang prägt es sie! Bei aller Spannung und Dramatik, die Liszt fordert (im Notentext wimmelt es nur so von rinforzato, accentuato, martellato) braucht diese Musik doch auch das Gegengewicht eines ruhigen, weichen, flexiblen Klangs – genauso oft notiert Liszt nämlich con grazia, dolcissimo, tranquillo, molto espressivo. Korstick agiert aber beständig unter hohem inneren Druck, modelliert jede Aussage mit übertriebener Bestimmtheit, macht dabei schon mal aus einem pianissimo ein properes mezzoforte und läßt die flirrenden Figurationen im Diskant virtuos anschwellen, selbst wenn das eigentlich musikalisch Vorrangige unter ihnen in der linken Hand stattfindet (beispielsweise in den Jeux d'eaux oder der Gondoliera).

Michael Korsticks Ton trug schon immer den Stempel glasklarer Direktheit, der seinem Spiel große Vorzüge wie unbestechliche technische Sauberkeit, transparente Organisation der musikalischen Struktur und männlich-kraftvolle Umsetzung der kompositorischen Intention ermöglichte. Sollte er aber nun einen Punkt erreicht haben, an dem er Liszts gewaltige Anforderungen an Leidenschaft und Kraft vor allem durch übermäßigen physischen Aufwand zu lösen versucht, vermag ich für meine Person ihm nicht auf diesem Weg zu folgen.

Henri Ducard [29.08.2011]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Liszt
1Venezia e Napoli S 162 00:16:50
4Anneés de pèlerinage - troisième année S 163 00:55:18

Interpreten der Einspielung

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