Angelika Kirchschlager sings Josepf Marx
cpo 777 466-2
1 CD • 51min • 2009
27.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der scharfzüngige Kritiker Hans Weigel hat Josef Marx einmal als einen „weit über die Grenzen der Steiermark bekannten Komponisten“ bezeichnet. Dieses ironische Lob ist charakteristisch für die Einschätzung, die der österreichische Musiker in seinen späten Jahren erfahren musste: als nahezu vergessener Musiker, als spätromantischer Hinterwäldler, der im zeitgenössischen Kulturleben so gut wie gar keine Rolle spielte. Den korpulenten alten Herren mit der weißen Mähne sah man bis in seine letzten Lebenszeiten oft als Zuhörer in Konzerten, noch häufiger aber als Besucher von Bierwirtshäusern. Ein liebenswürdiger Phäake, der seine Existenz als „Unzeitgemäßer" mit Humor ertrug.
Dabei hat es einst große Zeiten für Josef Marx (geboren 1882 in Graz, gestorben 1964 in Wien) gegeben: als langjähriger Rektor der Wiener Musikakademie, als anerkannte musikalische Autorität und vor allem als beliebter, viel gesungener Liederkomponist, dessen Werk auch auf zahlreichen Tonaufnahmen dokumentiert ist. Bereits 1911 hat die Hofopernsängerin Elise Elizza sein Lied Hat dich die Liebe berührt für die Schallplatte gesungen, später sind ihr Elisabeth Schumann, Luise Willer, Ljuba Welitsch, Arleen Augér und andere nachgefolgt. Fast immer waren es die Frauen, die sich diesen Kompositionen mit Liebe gewidmet haben.
Dass in unseren Tagen das Liedwerk von Josef Marx da und dort eine kleine Auferstehung begeht, hängt einerseits mit dem allgemeinen Hang zu musikalischen Wiederentdeckungen zusammen, andererseits gibt es aber auch eine dem Liedschaffen von Josef Marx verpflichtete Traditionslinie, die von der Wiener Musikakademie (heute Musikuniversität) ausgeht. Vor allem war es der bekannte Klavierbegleiter und Pädagoge Erik Werba, der dort als Marx-Apostel gewirkt hat. Angelika Kirchschlager, die aus der Wiener Musikschule hervorgegangen ist, wird von dieser Tradition sicher nicht unberührt geblieben sein.
Die Lieder von Josef Marx haben den Vorteil der angenehmen Sangbarkeit und der sicheren Publikumswirkung. Die stilistische Nähe zu Hugo Wolf ist nicht zu überhören, auch Anklänge an Debussy und Strauss sind wahrnehmbar, doch in keinem Moment wird die Tiefe und Eigenständigkeit der Vorbilder erreicht. Der Vokalpart fließt meistens ohne große melodische Inspiration in lockerem Duktus dahin und erhält erst durch die überschwänglich aufrauschende Klavierbegleitung gewissermaßen die höhere Bedeutung. Das ist ein unaufhörliches, tüchtige Fingerfertigkeit erforderndes Rauf und Runter, mit dem das Klavier die Singstimme umplätschert, umgaukelt und umspült. Sieht man von einigen stilleren, weniger exaltierten Kompositionen ab, wie Auf der Campagna (nach eigenen Worten), dann gilt für diese 24 Nummern umfassende Auswahl: ein Lied wie das andere. Hübsch anzuhören, aber ohne den Blick in das „Dahinter". Gerade das Richtige für die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, in deren Gesang sich das Hübsche oft mit dem Blassen, Untiefen verbindet. Ihr Vortrag ist dezent und von wohltuender, den Überschwang der Musik eindämmenden Kühle. Auffallend bei dieser neuen Aufnahme: die Unruhe der Tongebung, das Zittern der Stimme in der höheren Lage. Bedenkliche Zeichen bei einer Sängerin, von der noch manches zu erwarten wäre. Auch die Aussprache hätte deutlicher ausfallen können.
König des Programms ist der Pianist Anthony Spiri, der sich mit spürbarem Genuss in das Wellenbad der Marxschen Liedschwelgerei hineinstürzt.
Clemens Höslinger [27.10.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Marx | ||
1 | Liebe (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:03:36 |
2 | Wofür (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:00:45 |
3 | Am Fenster (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:01:32 |
4 | Die Begegnung (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:01:02 |
5 | Die Liebste spricht (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:01:07 |
6 | Am Brunnen (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:00:59 |
7 | Wie reizend bist du (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:01:01 |
8 | Sendung (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:01:05 |
9 | Die Verlassene (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:02:01 |
10 | Es zürnt das Meer (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:01:10 |
11 | Die tote Braut (aus: Italienisches Liederbuch) | 00:03:16 |
12 | Ein Abschied (aus: Verklärtes Jahr) | 00:03:33 |
13 | Dezember (aus: Verklärtes Jahr) | 00:02:34 |
14 | Lieder (aus: Verklärtes Jahr) | 00:02:15 |
15 | In meiner Träume Heimat (aus: Verklärtes Jahr) | 00:02:09 |
16 | Auf der Campagna (aus: Verklärtes Jahr) | 00:06:19 |
17 | Ein junger Dichter denkt an seine Geliebte | 00:02:09 |
18 | Selige Nacht | 00:01:47 |
19 | Schlafend trägt man mich in mein Heimatland | 00:01:54 |
20 | Der Rauch | 00:02:07 |
21 | Lob des Frühlings | 00:00:56 |
22 | Regen | 00:03:24 |
23 | Vergessen | 00:02:00 |
24 | Hat dich die Liebe berührt | 00:02:08 |
Interpreten der Einspielung
- Angelika Kirchschlager (Mezzosopran)
- Anthony Spiri (Klavier)