Styriarte 9120042720023
2 DVD-Video • 2h 41min • 2007
18.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Dem mittlerweile 81-jährigen Nikolaus Harnoncourt ist ein gebührender Platz in der musikalischen Interpretationsgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts gewiss. Nicht, weil er Vieles anders gemacht hat als Vorgänger und Dirigentenkollegen, sondern weil ihm dabei stets an schonungsloser Ehrlichkeit gelegen war. Als einem Fanatiker im positivsten Wortsinn. Man braucht Harnoncourts musikalische Deutungen nicht zu lieben, an der Authentizität seines Künstlertums bestehen jedoch keinerlei Zweifel.
Wie subtil Harnoncourt mit zwei Beethoven-Klassikern – der C-Dur-Messe op. 86 und der Fünften Sinfonie op. 67 – umgeht, ist auf der aktuellen Doppel-DVD der styriarte Festival Edition, die sich wieder in Form eines schmucken Büchleins präsentiert, eindrucksvoll festgehalten. Die 2007 in der Grazer Helmut-List-Halle zutage geförderten strukturell-klanglichen Ergebnisse sind schlicht hinreißend.
Da, wo jeder Laienchor aufgrund der höchst instrumentalen Stimmführung von Beethovens erster Messkomposition die Segel streichen muss, agiert der Arnold Schönberg Chor unter Harnoncourts (stabloser) Leitung flexibel und mühelos-befreit. Man merkt sogleich: Hier wurde jede Note zuvor auf den Prüfstand gestellt. Einen sonst oftmals bloß dahin plätschernden Klangfluss lockern teils schroffe Akzente immer wieder auf, durchbrechen diesen aber nie.
Gemäß Harnoncourts künstlerischer Devise „Musik als Klangrede“ ist die vorliegende Einspielung nicht nur ganz aus der Wortartikulation heraus gestaltet, sondern die verschiedenen Motive reagieren quasi aufeinander, stehen gleichsam in einem rhetorischen Zusammenhang. Dies garantiert – wie bei Harnoncourt üblich – Spannung pur, ohne einen stilistischen Grundcharakter außer Acht zu lassen. Ganz bewusst können sich daher befremdlich wirkende Klangrückungen wie im Credo bei „Deum de Deo" ereignen und plötzlich eine völlig unterschiedliche akustische Atmosphäre erzeugen.
Von Detailversessenheit, die manche Stellen als völlig neuartig (weil so nie gehört) erscheinen lässt, ist auch Harnoncourts Blick auf die Fünfte Sinfonie geprägt. Endlich sind einzelne Instrumentalgruppen innerhalb des Orchesters in rhythmischer, klanglicher und dynamischer Hinsicht exakt aufeinander abgestimmt - auch wenn sie nicht gerade als Hauptdialogpartner fungieren (besonders merklich im 3. Satz).
Freilich verlangt all' dies den Orchestermusikern eine geradezu halsbrecherische Virtuosität ab. Dieser werden die vorwiegend jungen Mitglieder des Chamber Orchestra of Europe in vorbildlicher Weise gerecht. Bravo! Man spürt förmlich die Energie, die Beethoven für ein solch nimmermüdes Finalbrio aufgeboten hat. Vielleicht um seine Zweifel in religiöser und gesellschaftlich-politischer Hinsicht zu überdecken. Prinzip Hoffnung? Harnoncourt und seine Mitstreiter lassen uns durch ihre zutiefst menschlichen Einblicke wieder daran glauben.
Nur: Eigentlich bedarf Beethoven keines Ausrufungszeichens hinter seinem Namen wie auf dem Titel des DVD-Covers. Gerade das Œuvre dieses Komponisten verfügt für jeden, der ein wenig in selbiges eingetaucht ist, über einen unwiderstehlichen Appellationscharakter. Werte wie Humanismus, Liberalität und Toleranz werden eindringlich verkündet – und zugleich deren beständige Gefährdung. Einem dies abermals vor Augen und Ohren zu führen, gelingt dem 2-DVD-Set „Beethoven!“ aus der styriarte Festival Edition beispielhaft.
Direktbezug nur über: www.styriarte.com
Richard Eckstein [18.10.2010]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Messe C-Dur op. 86 | 00:51:00 |
7 | Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67 | 00:37:00 |
Interpreten der Einspielung
- Julia Kleiter (Sopran)
- Elisabeth von Magnus (Alt)
- Herbert Lippert (Tenor)
- Geert Smits (Bass)
- Arnold Schönberg Chor (Chor)
- Chamber Orchestra of Europe (Orchester)
- Nikolaus Harnoncourt (Dirigent)