cpo 777 434-2
2 CD • 2h 29min • 2008
08.09.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Seit, ich darf es wohl sagen, Dezennien ist es wohl nicht der Fall gewesen, dass ein Deutscher einen solchen Beifall auf italienischen Szenen errungen hätte“, schreibt Otto Nicolai am 15. Februar 1840 nach der Turiner Premiere seiner Oper Il templario an seinen Vater in Berlin. Dass er den Mund dabei nicht zu voll genommen hat, belegt die weitere Wirkungsgeschichte des heute vergessenen Werkes. Nicht weniger als 70 Produktionen sind aus den kommenden vier Jahrzehnten nachgewiesen. Nicolai, der im Jahr darauf an der Mailänder Scala eine weitere Oper herausbrachte (Il proscritto), galt nach der Abwanderung Donizettis nach Paris als eine große Hoffnung auf dem Gebiet der Belcanto-Oper und war ein ernstzunehmender Konkurrent für den aufstrebenden, drei Jahre jüngeren Verdi, der damals den Nabucco noch nicht geschrieben hatte.
Das Sujet des Templario” geht auf den bis heute populären Roman Ivanhoe von Sir Walter Scott zurück, der auch andere Komponisten des 19. Jahrhunderts zu Vertonungen inspiriert hat. Eine davon stammt von Giovanni Pacini, eine andere von Heinrich Marschner (Der Templer und die Jüdin), deren zeitweiliger Erfolg Nicolais italienischer Version den Weg auf die deutschen Bühnen etwas verbaute (es gab immerhin Aufführungen in Wien und Berlin). Interessanterweise ist im Libretto Girolamo Maria Marinis der Romanschluß abgeändert. Rebekka stirbt an gebrochenem Herzen, als ihre Liebe von Ivanhoe zurückgewiesen wird. Ein italienischer Opernschluß, aber ein verschenkter, denn niemand nimmt Notiz von ihrem Tod, der Chor schmettert vielmehr mit einer Hymne auf Ivanhoe über ihn hinweg.
Lange Zeit galt die Partitur des Templario als verschollen, so dass die Oper nicht an der großen Belcanto-Renaissance teilhaben konnte, die in den 50er Jahren einsetzte. Mit detektivischem Geschick und einiger Hartnäckigkeit hat der Musikwissenschaftler Michael Wittmann das Notenmaterial aber doch noch aufgestöbert, und er fand in dem auch sonst wagemutigen Chemnitzer Opernhaus ein Theater, das die Probe aufs Exempel machen wollte. Das Ergebnis war eine kleine Sensation. Der Schöpfer der Lustigen Weiber von Windsor, das weiß man jetzt, war im Idiom der italienischen Oper ebenso zuhause wie in dem der deutschen, und vieles aus den Lustigen Weibern wird man künftig aus der Kenntnis seiner italienischen Musik mit anderen Ohren hören können. An Frische der melodischen Einfälle ist Nicolai seinen damals tonangebenden italienischen Kollegen Mercadante und Pacini ebenbürtig, wenn nicht überlegen, das deutsche Element seiner Musik zeigt sich darin, dass vokales Virtuosentum in den Dienst der dramatischen Aussage gestellt wird. Die Arien sind überwiegend Monologe mit langen Rezitativ-Teilen, spannende Ensembles und breit angelegte Finali bezeugen den Theatersinn des Komponisten.
In Chemnitz hat man sich nicht lumpen lassen. Die Ausgrabung hat ein interpretatorisches Format, das auch in Berlin oder München bestehen könnte. Nicht zum ersten Mal zeigt der Dirigent Frank Beermann sein geschicktes Händchen für dramatisch pulsierenden Belcanto. In Leipzig hatte er vor vier Jahren Meyerbeers Margherita d’Anjou der Vergessenheit entrissen. Auch hier entlockt er seinen Musikern italienisches Feuer. Und die Sänger sind durchweg überzeugend. Der amerikanische Tenor Stanley Jackson erklimmt als Ivanhoe mühelos die vielen Gipfel seiner anspruchsvollen Partie und die Finnin Tiina Penttinen bietet für die Jüdin Rebekka stattlichen Mezzoglanz und gestalterisches Temperament auf. Sehr gut kommt auch der deutsche Bariton Hans Christoph Begemann als schurkischer Kreuzritter Briano mit der hohen italienischen Tessitura seiner Partie zurecht. Auch die übrigen Solisten machen dem Chemnitzer Haus alle Ehre.
Ekkehard Pluta [08.09.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Otto Nicolai | ||
1 | Il Templario (Melodramma in tre atti) |
Interpreten der Einspielung
- Stanley Jackson (Vilfredo d'Ivanhoe, Figlio di Cedrino - Tenor)
- Kouta Räsänen (Cedrico il Sassone - Baß)
- Judith Kuhn (Rovena, tutelata di Cedrico, amante di Vilfredo - Sopran)
- Andreas Kindschuh (Luca di Beaumanoir, gran maestro di Templari - Bariton)
- Hans Christoph Begemann (Briano di Bois-Guilbert, Cavaliere Templario - Bariton)
- André Riemer (Isacco di York, Israelite reduce di Soria - Tenor)
- Tiina Penttinen (Rebecca, Figlia di Isacco - Mezzosopran)
- Chor der Oper Chemnitz (Chor)
- Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz (Orchester)
- Frank Beermann (Dirigent)