OehmsClassics OC 729
1 CD • 78min • 2008
04.08.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In ihren Bemerkungen zu dem Programm der vorliegenden CD betont die 27-jährige Geigerin Sinn Yang, Gewinnerin des vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft initiierten Violinwettbewerbs „Ton und Erklärung“ 2008 ihre Absicht, „jedes Stück in seinem eigenen Geist erklingen zu lassen“. Das gelingt ihr vortrefflich. Doch mehr noch: Man spürt jederzeit in ihrer vom oft üblichen Virtuosengehabe einer Debüt-CD abweichenden Repertoireauswahl, dass ihr die Werke Schuberts, Debussys, Bartóks, Piazzollas und Jörg Widmanns eine wirkliche Herzensangelegenheit sind. In ihrer kompetenten, so markanten wie flüssigen, bisweilen schwebenden Deutung der Violinsonate g-Moll von Debussy offenbart Sinn Yang ein fesselndes Klangfarbenspiel, als wolle sie ihrem Instrument und dem Werk bislang verschüttete Eigenschaften entlocken. So wie der ungarische Zigeunergeiger, von dem Debussy zu berichten weiß, „ein Mann, der einem Tresor Geheimnisse entlocken konnte“. Jegliche Süße vermeidend, atmet ihre Auseinandersetzung mit dieser an Exotismen reichen Sonate Autorität, Einfühlungsvermögen und Sinnlichkeit sowie eine bestechende Klarheit der Zeichnung.
Was auf dieser klanglich einwandfreien CD sofort ins Ohr fällt, ist, dass Sinn Yang Musik nicht spielt, sondern sie vielmehr erzählt. Und mit dem Pianisten Marco Grisanti hat sie einen absolut gleichberechtigten, was aber noch viel wichtiger ist, gleich gesinnten Partner an ihrer Seite. Dass er, wie natürlich auch die Geigerin, sein Instrument virtuos beherrscht, versteht sich fast schon von selbst. Beide verfügen in der lichten Grundstimmung von Schuberts Fantasie C-Dur D 934 über das richtige Maß an Fantasie, Agilität und Innigkeit. Als sei dies nicht genug, besitzt Sinn Yang offenbar auch noch einen untrüglichen Instinkt für die sanglichen Momente dieses ausladenden Werks; man höre nur dessen freie Andante-molto-Einleitung. Ein wacher, zupackender Dialog voll differenzierter Innenspannung kennzeichnet ebenso die Wiedergabe von Bartóks folkloristischer Rhapsodie für Violine und Klavier Nr. 1. Nicht zu vergessen Astor Piazzollas Le Grand Tango, in dem sich die Geigerin und ein neuer Duopartner, der Akkordeonist Harald Oeler, zu einer der Tonsprache Piazzollas mehr als einfach nur angemessenen und scharf konturierten Leidenschaft aufschwingen. Schließlich Jörg Widmanns Étude V für Violine solo: eine Hommage an Niccolò Paganinis Caprice Nr. 6, entstanden im Auftrag des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, nach der Uraufführung durch Sinn Yang von dieser auch erstmals auf CD eingespielt. In dieser die Grenzen der Spieltechnik und Dynamik auslotenden Klangfantasie, die zwischen Vogelgezwitscher-Ähnlichem und Bachschen Stimmführungen weniger fest definierte Tonhöhen als vielmehr Klanglichkeit an sich zu thematisieren scheint – hier ist die Künstlerin ganz bei sich und lässt in überzeugender Gestaltungskunst die gespannte Erregtheit dieses Werks greifbar werden.
Ein bemerkens- und immer wieder hörenswertes CD-Debüt.
Christof Jetzschke [04.08.2009]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Claude Debussy | ||
1 | Sonate No. 3 g minor L 140 for Violin and Piano | 00:14:32 |
Franz Schubert | ||
4 | Fantasie C-Dur D 934 für Violine und Klavier (op. posth. 159) | 00:25:02 |
Béla Bartók | ||
7 | Rhapsody No. 1 Sz 87 for Violin and Orchestra | 00:09:47 |
Jörg Widmann | ||
9 | Étude V (Hommage à Niccolò Paganini, Caprice Nr. VI) | 00:19:49 |
Astor Piazzolla | ||
10 | Le Grand tango (arr. Gubaidulina) | 00:08:20 |
Interpreten der Einspielung
- Sinn Yang (Violine)
- Marco Grisanti (Klavier)
- Harald Oeler (Akkordeon)